618 Davon werde ich jedesmal wach
Ich versuche immer wieder, die Schubladen meines „inneren“
Schreibtisches zu ordnen. Vergeblich, denn davon werde ich jedesmal wach. Dann
sinke ich wieder zurück und suche verbotene Räume auf, die es im realen Leben
gar nicht mehr gibt.
Ein Pfropfen aus geronnenem Blut verstopft mein linkes
Nasenloch, aber keine Sorge, Freund der Berge, das war keine rustikale
Schlägerei, sondern bloß ein kindisches Nasenbluten, wie du es von mir auch
nicht anders erwartet hast, oder?
Ich wache nicht in der Wirklichkeit auf, sondern in einer
Blase aus warm umhüllenden Traumstoff, die so ungefähr eine Stunde braucht, um
sich aufzulösen. Vorher hat es keinen Sinn, mit mir zu reden oder mich
herauszufordern. Letzteres nachher auch nicht, denn – wie du weißt, Freund der
Berge – gebe ich immer nach.
Ein Pfropfen aus einer unsichtbaren Substanz schwebt vor
meiner Stirn und wirkt auf meine Augen ein. Ich reagiere nicht, und ich
erforsche nicht, was es ist. Überhaupt, es wird mir meine innere Fragerei
langsam zu viel. Ich komme gegen diesen ganzen Wust nicht auf. Ich werde mich
fügen und keine Fragen mehr stellen und nehme nicht an, daß das etwas bringt.
Ich gehöre nicht zu den Lebendigen und aus meinen Augen
blitzt kein Schalk und kein „ich weiß, wie es geht, ich kenn' mich aus!“ In
meinen Augen schwimmt nur eine Frage: warum?, auf die ich keine Antwort bekomme
und die ich deswegen nicht mehr stellen will. Verschwinden wird sie jedoch
nicht – im Gegensatz zu mir, der ich äußerst vergänglich bin.
Die windbewegten Schwankungen des Rollos erschrecken mich in
mir Versunkenen kurz, weil sie die Lichtsäule daneben, dort ganz links in den
Augenwinkeln, ein wenig zum Tanzen gebracht haben. So ein verschrecktes Wesen
… nein, das muß ich nicht herschreiben.
Der Blutpfropfen beginnt zu zerbröseln, wie mein Kokon aus
Traumsubstanz sich allmählich auflöst.
(6.3.2017)
©Peter Alois Rumpf
März 2017 peteraloisrumpf@gmail.com
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