616 Noch scheint die Sonne
Noch scheint die Sonne. Aber der Föhn zieht schon seinen
verschleiernden Dunst über das weite, verblassende Blau auf. Die nackten Bäume
des übervölkerten Parkes krallen ihre kahlen Äste vergeblich zum angegriffenen
Himmel. Zu langsam sind sie und zu starr. Aber bald, bald schon werden sie
aufleben und ausschlagen und ihre grünen Blätter austreiben.
Ein paar Schulklassen zappeln und kreischen hintereinander
vorbei – sie habe ja alle den selben Stundentakt – während die Flugzeuge
langsam und majestätisch schweben (und individuellere Termine haben). Ich weiß
schon, das kann ich nur sagen, weil ich so weit entfernt bin.
Eine junge, schlanke Krähe schaut mich fragend an und pickt
auffordernd am Boden herum, um mir auf die Sprünge zu helfen, worum es denn
geht. Sie kommt gleichzeitig frech und scheu näher. Ich sage ihr, daß ich
nichts mit habe und verspreche ein Stück Brot fürs nächste Mal.
Ein kostümierter Hund kratzt sich am Hals. Unprofessionelle
Karawanen ziehen vorbei. Es riecht nach irgendwas Gebratenem. Die Amseln rufen
fleißig den Frühling herbei.
Kinderwagenkolonnen rollen um die Kurve – ich kann mich noch
erinnern, der Spielplatz ist gleich dort rechts hinten.
Die bellenden Hunde beißen nicht, zumindest habe ich keinen
von denen beißen gesehen, aber auch keinen von denen, die nicht bellen.
Lachen, das wie Wiehern klingt. (Schreiben, das wie eine
Verlegenheitslösung ausschaut.)
Noch ist die Luft relativ ruhig, aber immer öfter kommen
Windböen auf, die zunehmend heftiger werden. Die Häuser der Stadt hinter der
Mauer des Parkes, gut hundert Meter entfernt, wirken schon starr, klar und ein
wenig verschwommen nahe, wie durch eine Brille, die nicht ganz passt. Das
glaube ich auch, daß ich die falsche Dioptrienzahl für die Wirklichkeit habe.
Ein Telefonierer mit leichtem oststeirischen Akzent
schreitet über den Schotter vorbei – vielleicht hat er die Sonne angerufen,
denn auf einmal kommt sie wieder stärker heraus und brennt mir auf die Stirn.
Viele Jogger und Checker sind unterwegs, männlich und
weiblich; in meinem Rücken weiblicher deutscher Akzent; von vorne links jetzt
wieder der Wind. Genaugenommen vom Süden, ich habe es mit dem abgeschleckten
Finger überprüft.
Die weißen Schleier nun werden wieder dichter, ganz am
Horizont rücken schon die ersten echten Wolkenformationen heran. Die Radfahrer
habe ich bis jetzt vergessen, die weiblichen, die männlichen, die kindlichen.
(Einer der Kleinen heult auf - „magst du gleich schlafen gehen?“ „Jaaaaa!“ und
schon fährt er mit seinem Laufrad los.)
Die Wiese liegt wie ein vertrocknetes Brett da; doch wenn
man genau hinschaut, kann man ihr beim Grünwerden zuschauen. Gut, liebe
Leserinnen, ihr seht, ihr seid live dabei.
(3.3.2017)
©Peter Alois
Rumpf März 2017
peteraloisrumpf@gmail.com
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