599 Klandestin
Nach der Arbeit. Wenn ich das Schreiben als meine wirkliche
Arbeit bezeichnen würde, müßte ich „nach dem Job“ schreiben. Es gelingt mir
jedoch nicht, dem Schreiben solch ein offizielles Gewicht zu geben. Ich bin
mehr ein klandestiner Schriftsteller; aber um „Schriftsteller“ hinzuschreiben
muß ich mich auch etwas überreden, und „klandestin“ ist Angeberei; da will ich
mit meiner Bildung, ja, ja, angeben. (Zur Erklärung: „klandestine Ehen“ waren
im katholischen Kirchenrecht Ehen, die geheim, aber im Sinne der Kirche gültig
geschlossen wurden, in ein Geheimbuch eingetragen, aber nicht veröffentlicht.
Wie ich einmal aus gewöhnlich gut informierten Kreisen gehört habe, sollen zum
Beispiel Kaiser Franz Joseph I und Katharina Schratt eine klandestine Ehe
geschlossen haben.)
Zurück in die Gegenwart. Ich sitze in einem Kaffeehaus. Das
ist der Versuch, gegen meine Gewohnheit auch am Nachmittag zu schreiben.
Schreiben zu können.
Ich sitze also da und schaue mich um. Die Köpfe hier im Saal
bewegen sich ruckartig. Das fällt mir auf. Eine zufällige Dreifaltigkeit der
gleich gekleideten Kellner – gerade nebeneinander einhergehend. Das fällt mir auch auf.
Tja, nichts greift so richtig. Mein Geist hat im Job schon
zu viel Zeugs aufgenommen und meine Seele hat dabei ihre heutige
Jungfräulichkeit verloren. Für heute. Anscheinend ist eine gewisse Unschuld und
Reinheit – wie am Morgen – eine Voraussetzung für meine Schreiberei.
Es geht nicht. So habe ich hier nichts verloren. Ich gehe.
(15.2.2017)
©Peter Alois Rumpf
Februar 2017
peteraloisrumpf@gmail.com
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