Mittwoch, 9. November 2016

493 Aus vollen Krügen Wasser in den Bach schütten

Die Frau hockt halb kniend und nackt am Ufer eines Gewässers – glaube ich – und leert aus zwei vollen Krügen zwei dicke Ströme Wasser in den Bach. Auf einem spärlich ausgestalteten Busch – nicht mehr als ein aus dem Boden wachsender Ast - sitzt ein Hahn; der hält seinen Schnabel offensichtlich geschlossen. Über dem nackten Weib mit schönem Gesicht, mit schönen, langen blauen Haaren, die ihr jedenfalls bis zur Armbeuge reichen, wenn nicht bis zum Gesäß – was man aber nicht sehen kann – und mit lieben, festen Brüsten schweben ein großer, etwas unbeholfen wirkender Stern und unter ihm drei kleine. Nummer siebzehn: The Stars, Les Etoiles, Der Stern, Le Stelle. So beginnt dieser Tag mit kleiner Verspätung. Ich war ja auch gestern bis zwei Uhr wach.

Ich wundere mich noch über die falsche Statistik. Also „falsch“ nicht im Sinne von gefälscht, sondern daß die ausgehängte nicht die relevante ist. Aber was soll's! Jetzt kenne ich die richtige und die schaut nicht schlecht aus – im Gegensatz zur ausgehängten. Ich hatte mir wegen der ausgehängten monatelang Sorgen gemacht und – wie sich jetzt herausstellt völlig sinnlos – viele Gedanken. Es geht um die Arbeit, den Job. Ich schüttle kurz den Kopf und lasse das Thema fallen.

Nächstes Thema. Was nehme ich als nächstes Thema? Wie ich so schief nach links geneigt im Bett hocke und – das Notizbuch auf den Oberschenkeln – schreibe? Nein, das mag ich heute nicht beschreiben.

Über das sich immer leicht verändernde Ticken des Weckers? Lautstärke und Ton verändern sich ständig ganz leicht? Nein.

Das Surren in den Ohren – oft gar nicht mehr registriert, aber sofort da und lauter und umhüllend, wenn ich – wie jetzt – meine Aufmerksamkeit darauf lenke? Nein.

Über meine halbprofane Altarwand dort drüben mit einer an die Wand gepickten, getackerten und genagelten Pseudo-Ikonostase und die zwei kleinen Räuchergefäße auf zwei Konsolen? Nein.

Mein eindrucksvolles Bücherregal? Eindrucksvoll nicht wegen des Regales, sondern wegen der Bücher? Nein

Die kleine Zeichnung da an den halbhohen Kasten am Fußende meines Bettes getackert, die eines meiner Wunschszenarien darstellt – mich selbst als Lehrenden in einer kleinen Schar Hörer - natürlich von mir selber gezeichnet, um eine solche Möglichkeit für mich magisch herbeizuziehen? Die Ecke des Papiers links unten ist von der Katze, die da immer wieder vorbeistreift, um irgendwelche ihrer Markierungsdüfte – ich glaube über die Augen – an dieser Stelle anzubringen, schon ganz aufgebogen. Soll ich darüber schreiben? Nein.

Jetzt, während ich das schreibe, läutet das Telefon und ich muß meine Tochter von der Schule abholen, denn ihr ist schlecht geworden. Sie war schon gestern krank und ist zu früh wieder in die Schule gegangen. Alleine darf sie aber nicht heimgehen, weil sie noch nicht achtzehn ist.

Mir ist diese Wendung sowohl für meinen Tagesablauf, als auch für meinen Text ganz recht und ich bin auch gleich fröhlich in den schönen, kalten Herbsttag losmarschiert.

Aber nachdenken darf ich darüber nicht. Laut Wiener Jugendschutzgesetz darf meine Tochter ausgehen so lange sie will, aber am helllichten Tag alleine nach Haus gehen darf sie nicht. Ich meine, weil meiner Tochter sehr übel war, war sie sehr froh, daß ich sie abgeholt habe. Ich habe sie auch streckenweise am Arm geführt. (Auto haben wir keines.) Aber das ist doch keine Frage des Alters, sondern - in diesem Fall - des Grades der Übelkeit!

Die Schule ist doch ein hoffnungslos in die Sackgasse gefahrener Affenzirkus. Abschaffen. Alle, angefangen bei den Schulbehördenbeamten bis zu den Lehrern entlassen und wieder bei Null beginnen. Oder besser: das Neue selber entstehen lassen. Nur keine Leute mehr anstellen mit bürokratisch-pädagogischer Ausbildung! Ja, ja, ich weiß, das ist gehässig, zumindest verbittert, jedenfalls aber sinnlos. Wenn ich mich darüber aufrege ist es tatsächlich genauso sinnlos wie aus vollen Krügen Wasser in einen Bach leeren. Und auf der Tarotkarte hält der Hahn seinen Schnabel geschlossen. Also: krähe deinen Hohn nicht hinaus!











©Peter Alois Rumpf    November 2016     peteraloisrumpf@gmail.com


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