Sonntag, 25. September 2016

451 Soll ich ihn erschießen?

Ich irre wiedereinmal am Stadtrand herum und finde weder Straßenbahn noch Bus, um nach Hause zu kommen. Ich trage einen Rucksack und eine Tasche, die ich umgehängt habe. Keine Ahnung, woher ich komme, keine Ahnung, wo ich bin und eigentlich auch keine Ahnung, wohin ich gehe. Ich vermute nur, ich will nach Hause. Aber wo ist das? Habe ich überhaupt ein Zuhause?
Ich finde mich in der Gegend nicht zurecht. Und waren da nicht gerade noch Menschen mit mir? Frau und Kinder vorhin? Wo sind sie jetzt? Ich weiß es nicht. Ich bin mir auch gar nicht sicher, ob ich Frau und Kinder habe.
Jetzt jedenfalls bin ich alleine unterwegs. Ich streife herum; endlich sehe ich das Schild einer Bushaltestelle. Ich gehe auf diese Bushaltestelle zu und nehme den Rucksack und die Tasche, die ich umgehängt getragen hatte, herunter und stelle sie auf den Boden, an die Stange der Bushaltestelletafel gelehnt. Mit dem Fahrplan finde ich mich nicht zurecht, ich kann ihn nicht verstehen. Ich weiß es also nicht, ob von hier aus ein Bus in die Stadt geht, aber fragen werde ich können, wenn der nächste Bus kommt, und irgendwie muß ich ja von hier aus zum richtigen Bus finden. Irgendwie muß ja diese Buslinie mit den anderen verbunden sein.
Ich gehe etwas nervös auf und ab. Eine Gruppe von Ungarn nähert sich lachend und redend und stellt sich auch an die Bushaltestelle, um auf ihren Bus zu warten. Ein privater Reisebus kommt und die ungarische Reisegruppe steigt ein. Das ist also kein öffentlicher Bus, sondern von der Reisegruppe gemietet. Als alle eingestiegen sind, merke ich, die haben auch mein Gepäck mitgenommen. Ich denke nicht an Diebstahl, nur, daß auch mein Gepäck irrtümlich in den Gepäcksraum unten verladen wurde. Der Bus fährt schon langsam an, hat aber die Tür noch offen und ich springe auf und sage dem Fahrer laut und deutlich, daß mein Gepäck im Bus ist. „Bitte stehenbleiben, ich will meine Sachen herausholen.“ Mehrmals. Ich bin mir nicht sicher, ob der Busfahrer Deutsch versteht, immerhin ist es eine ungarische Reisegruppe. Aber er spricht akzentfrei Deutsch; möglicherweise ist er ein hiesiger Chauffeur. Er sagt aber nur: “Nein, das mache ich nicht!“ „Aber mein Gepäck!“, sage ich, „ich brauche es!“ „Nein“ sagt er und zuckt mit den Achseln. Er bleibt nicht stehen und fährt langsam mit offener Tür weiter. (Im Traum geht das.) Ich bin ratlos. Ich stehe in der offenen Tür, halte mich an einer Haltestange fest und überlege, ob ich ihn erschießen soll.














©Peter Alois Rumpf    September 2016     peteraloisrumpf@gmail.com

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