386 Heute Morgen ist alles ganz anders
Heute Morgen ist alles ganz anders. Das Surren, das sonst
wie ein Helm meinen Kopf einhüllt, erlebe ich als einen unendlichen Strom, der
von links nach rechts an mir, vor mir und über mir vorbeizieht. Draußen ist
ganz deutlich der Verkehrslärm zu hören, während die Entlüftung nur mit halber
Kraft zu röhren scheint. Dieser Verkehrslärm, den ich bisher nur als
undifferenziertes Rauschen und Brummen wahrgenommen habe, ist heute geradezu
plastisch. Ich kann einzelne Autos und ihre Verkehrsmanöver wie Bremsen,
Beschleunigen heraushören. Der Wind, der ist es, der diese Geräusche so nahe
heranträgt. Jetzt dominiert die Lüftung im Lichtschacht wieder mit voller
Kraft, auch ihr Heulen kommt mir plastischer vor; ich kann die Interferenztöne
deutlich hören. Ganz tief hinten in diesem Geräuschestrom vermeine ich
auch ein Pochen wahrzunehmen. Die Kinderstimmen sind besonders hell und
deutlich unterscheidbar; alles hat eine viel größere Klarheit.
Diese ungewöhnliche Klarheit, so bereichernd ich sie auch
erlebe, verunsichert mich etwas, denn was hat sie zu bedeuten? Ich erlebe diesen Morgen als etwas Neues und ich bin neugierig, was der Tag bringen wird,
der reicher und voller, intensiver zu werden verspricht. Aber ich bin auch
angespannt, so, wie wenn man sich auf etwas wichtiges vorbereitet, auf eine
entscheidende Begegnung, einen Kampf, einen großen Auftritt.
Was wird es sein? Kurz heult eine Sirene auf. Ein Motorrad
zieht seine akustische Spur durch die Stadt. Die Vögel sind weiter weg und
daher leiser. Jemand scheppert mit Geschirr und pritschelt mit Wasser. Türen
werden zugeschlagen. Ein Radio wird aufgedreht und jemand pfeift dazu. Der
Alltag geht weiter. Das Leben geht weiter.
©Peter Alois Rumpf Juni
2016 peteraloisrumpf@gmail.com
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