385 Womöglich meine letzte Liste
Der blaue und bewölkte Himmel im Abendlicht.
Das Lachen mit den Arbeitskolleginnen und Kollegen beim
Abschied.
Das Weggehen mit einem Gefühl von Freiheit und endlich! in
der frischeren Abendluft.
Das Achten auf den Autoverkehr aus den Augenwinkeln heraus.
Die schöne Frau da vorne an der Ecke.
Die überfüllte Straßenbahn und mein Unbehagen.
Die vorbeiziehenden Bäume, denen ich zunicke.
Die Leute, die aussteigen und die Leute, die einsteigen.
Das Gedränge an der Endstation.
Die orangen Betonträger in der U-Bahnstation.
Das Gedränge im Lift.
Das kleine Mädchen mit dem Roller.
Die jungen Burschen, hart an der Kante zum Angeben – aber
nicht nur, auch sanft!
Der weite, dunkelnde Abendhimmel.
Die Gassen, durch die mein Weg nach Hause führt.
Die Frau, die vor mir geht.
Die Männer, die mir entgegenkommen.
Die sonntäglich gekleideten Leute, die vor dem Eingang des
Königreichsaales stehen und reden.
Das Stiegenhaus.
Die stille, verlassene Wohnung.
Die Leere zwischen den Dingen.
Die Leere zwischen und in den Molekülen.
Die Leere zwischen den Sternen.
Angenommen, das wäre wirklich die Liste der letzten
Eindrücke, die ich von der Welt in Erinnerung habe, im Moment, als der Tod
zuschlägt.
Zuerst überfällt mich eine große, schwere, namenlose Trauer.
Sicher, ich habe schon die eine oder andere Vermutung, woher sie kommt und was
sie ist, aber die reichen alle bei Weitem nicht aus.
Ein unwillkürlicher, tiefer Atemzug führt meine
Aufmerksamkeit auf mein Atmen.
Ein wenig spüre ich die Wellen, die durch die Welt gehen.
Da ist wieder dieser Tagtraum vom körperlosen Schweben durch
unendliche Weiten, nur dem Schauen und
Staunen hingegeben.
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