Dienstag, 3. Mai 2016

350 Seien wir vorsichtig:

Aufatmen. Der heutige Tag ist geschafft. Allzuviel ist nicht weitergegangen. (Seien wir vorsichtig: soweit ich es sehe.) Aber jetzt bin ich müde, und mein defensives Tagewerk ist vollbracht. Jetzt darf ich mich dem Schlaf hingeben. Dabei ist es gleichgültig, ob das Werk gelungen ist oder nicht. Das meiste, das ich mir vorgenommen habe, habe ich nicht getan. Das nagt noch an mir, aber bald wird der Schlaf stärker sein.
Ich darf keine Resümees aus meinen Tagen ziehen, keine Tagesumsätze ausrechnen, die Bilanz fällt viel zu schlecht aus.
Ich finde meinen anscheinend gemütlichen Alltag viel zu anstrengend. Das passt alles nicht zusammen. Vielleicht rechne ich falsch. Mein Kopf will schon zur Seite rollen. Ich horche in mich hinein und finde das Gleiche wie so oft: ein Ziehen hinter den Augen, das bis zum Hals hinunter zieht. Im Bauch ist auch etwas, das ich nicht benennen kann. „Servas Rektor!“ höre ich mich sagen, aber wo ich den Schlüssel – war es überhaupt ein Schlüssel? Oder war es etwas anderes? - holen hätte können, das weiß ich nicht mehr. Nur noch meine rechte Hand mit dem Kugelschreiber bleibt in dieser Welt zurück, alles andere verabschiedet sich gerade.


Für heute habe ich mir nichts vorgenommen. Gar nichts. Mein brillenverschwommener Blick schaut aus dem Surren hinaus und wartet. Ich weiß um die Fragwürdigkeit des Wartens, besonders wegen der Stunde des Absterbens Amen. Absterben – was für ein schönes Wort! Ein tiefer Atemzug folgt, traurig, erleichternd, von Hoffnungen und Erwartungen Abschied nehmend. Abschied ist auch ein schönes Wort. Abschied! Noch ein tiefer Atemzug. Ich lächle dem tageskindlichen Leben unten zu, aus der Ferne und unentdeckt, und betätige heimlich meine segnende Hand. Eine lächerliche Geste voller Selbstüberhöhung und Selbstbetrug – was habe ich schon zu verschenken? Ein tiefer Atemzug. Die Traurigkeit steht mir bis hinter die Augen; aber ich liebe diese Traurigkeit, nie werde ich sie aufgeben.
Jetzt segne ich auch die zwei Katzen, sozusagen weil mir fad ist und sonst nichts mehr einfällt, was ich tun kann. So unter dem Motto: segnen kann mensch immer! Aber möglicherweise hat dann der Segen überhaupt keine Kraft. Segnen als Versuch, seinem bedeutungslosen Leben noch eine Bedeutung anzudichten. Aber das ist mir egal. Ich akzeptiere, daß ich meinen Weg verloren habe. Jetzt werde ich fromm und will alles, was mir daraus begegnen wird, in Demut annehmen. Nur glaube ich mir das überhaupt nicht. Aber auch das ist mir egal. In mir kichert es.
Eigentlich habe ich es recht gemütlich hier, im Bett liegend schreiben, in eine warme Decke gehüllt, das Zimmer noch abgedunkelt, das weggedrehte Licht der Leselampe. Mit dem Gedanken, bald ein heißes Bad zu nehmen. Nichts fehlt mir. Ich huste und die Katzen laufen beide aus dem Zimmer.
Jetzt denke ich an meinen Vorgänger. Das Bedürfnis nach segnen nimmt gleich wieder zu. Adios.














©Peter Alois Rumpf    Mai 2016                 peteraloisrumpf@gmail.com

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