350 Seien wir vorsichtig:
Aufatmen. Der heutige Tag ist geschafft. Allzuviel ist nicht
weitergegangen. (Seien wir vorsichtig: soweit ich es sehe.) Aber jetzt bin ich
müde, und mein defensives Tagewerk ist vollbracht. Jetzt darf ich mich dem
Schlaf hingeben. Dabei ist es gleichgültig, ob das Werk gelungen ist oder
nicht. Das meiste, das ich mir vorgenommen habe, habe ich nicht getan. Das nagt
noch an mir, aber bald wird der Schlaf stärker sein.
Ich darf keine Resümees aus meinen Tagen ziehen, keine
Tagesumsätze ausrechnen, die Bilanz fällt viel zu schlecht aus.
Ich finde meinen anscheinend gemütlichen Alltag viel zu anstrengend. Das
passt alles nicht zusammen. Vielleicht rechne ich falsch. Mein Kopf will schon
zur Seite rollen. Ich horche in mich hinein und finde das Gleiche wie so oft:
ein Ziehen hinter den Augen, das bis zum Hals hinunter zieht. Im Bauch ist auch
etwas, das ich nicht benennen kann. „Servas Rektor!“ höre ich mich sagen, aber
wo ich den Schlüssel – war es überhaupt ein Schlüssel? Oder war es etwas
anderes? - holen hätte können, das weiß ich nicht mehr. Nur noch meine rechte
Hand mit dem Kugelschreiber bleibt in dieser Welt zurück, alles andere
verabschiedet sich gerade.
Für heute habe ich mir nichts vorgenommen. Gar nichts. Mein
brillenverschwommener Blick schaut aus dem Surren hinaus und wartet. Ich weiß
um die Fragwürdigkeit des Wartens, besonders wegen der Stunde des Absterbens
Amen. Absterben – was für ein schönes Wort! Ein tiefer Atemzug folgt, traurig,
erleichternd, von Hoffnungen und Erwartungen Abschied nehmend. Abschied ist
auch ein schönes Wort. Abschied! Noch ein tiefer Atemzug. Ich lächle dem
tageskindlichen Leben unten zu, aus der Ferne und unentdeckt, und betätige heimlich
meine segnende Hand. Eine lächerliche Geste voller Selbstüberhöhung und
Selbstbetrug – was habe ich schon zu verschenken? Ein tiefer Atemzug. Die
Traurigkeit steht mir bis hinter die Augen; aber ich liebe diese Traurigkeit,
nie werde ich sie aufgeben.
Jetzt segne ich auch die zwei Katzen, sozusagen weil mir fad
ist und sonst nichts mehr einfällt, was ich tun kann. So unter dem Motto:
segnen kann mensch immer! Aber möglicherweise hat dann der Segen überhaupt
keine Kraft. Segnen als Versuch, seinem bedeutungslosen Leben noch eine
Bedeutung anzudichten. Aber das ist mir egal. Ich akzeptiere, daß ich meinen
Weg verloren habe. Jetzt werde ich fromm und will alles, was mir daraus
begegnen wird, in Demut annehmen. Nur glaube ich mir das überhaupt nicht. Aber
auch das ist mir egal. In mir kichert es.
Eigentlich habe ich es recht gemütlich hier, im Bett liegend
schreiben, in eine warme Decke gehüllt, das Zimmer noch abgedunkelt, das
weggedrehte Licht der Leselampe. Mit dem Gedanken, bald ein heißes Bad zu nehmen.
Nichts fehlt mir. Ich huste und die Katzen laufen beide aus dem Zimmer.
Jetzt denke ich an meinen Vorgänger. Das Bedürfnis nach
segnen nimmt gleich wieder zu. Adios.
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