Mittwoch, 9. März 2016

313 Der schwarze Mittwoch

Unten schreit und weint jemand. Jemand, der klein ist. Ich jedoch denke an mein Vorhaben, eine Lesung abzuhalten, und bekomme Angst. Sie ist plötzlich wie ein winziger Punkt in der Gegend des Nabels da, vielleicht etwas darunter, und dehnt sich rasch aus. Jetzt erstreckt sie sich nicht nur über mein Vorhaben, sondern auch auf meinen Job. Schließlich habe ich gestern kein einziges Interview geschafft. Meine unerlöste Seele will auch schreien und brüllen, die ganze Enttäuschung hinaus, weinen, dieses Nein! Nein! Nein! - das habe ich nicht verdient! Ich habe es nicht verdient, als ein Telefonkrimineller angesprochen zu werden, ich hatte diese verächtlich hingespuckte, hingekotzte Döbereinerberatung nicht verdient, ich hatte es nicht verdient, zum letzten Dreck gemacht worden zu sein. Meine Seele ist auch ein kleines Kind, aber sie kann nicht schreien; sie ist stumm; starr vor Angst und Entsetzen. Und sie fühlt sich schuldig. Schuldig dafür, zu leben, obwohl sie eigentlich weg gehört. So schaut es in meinem Inneren aus. Aber was jetzt? Was mach ich damit? Jetzt einmal versuche ich, den Schmerz zuzulassen, ihn zu spüren und auszuhalten. Er sitzt dort, wo auch die Angst begonnen hat sich auszudehnen. Die Angst ist jetzt mehr in der Gegend des Herzens. Ein verzagtes Herz habe ich jetzt. Ich möchte mein Leben aber nicht nur irgendwie aushalten, ich möchte es leben. Möchten, nicht wollen. Zum Wollen fehlt mir das Selbstwertgefühl. (Meine ständigen Schreibfehler und Verwechslungen gehen mir auch schon auf die Nerven - „wir“ schreibe ich statt „mir“, „fehl“ statt „fehlt“ … als ginge meinem Gehirn allmählich die Kraft aus, sich auf diese feindliche, fremde Welt zu konzentrieren, als zöge es sich zurück, ziehe es sich zusammen, versulze, wolle nicht mehr, streike müde, rolle sich ein.) (Ich vergesse auch  immer mehr; Namen sowieso, aber auch Abgesprochenes. Und Sachen, die ich mir vornehme. Gestern habe ich vergessen, die Bäume zu grüßen, die ich im Vorbeigehen zu grüßen mir angewöhnt habe, da bin ich noch die hundert Meter zurückgegangen. Heute war ich schon zu weit, als es mir eingefallen ist.) Zum tausendsten Mal fühle ich in mich hinein, aber gewinne kein Terrain. Gut. Kein Ort, wo sich meine Seele ungefährdet ausruhen kann. Also auf der Flucht. Wenn ich in menschenleeres Gebiet komme, könnte aus der Flucht eine Wanderung werden. ... In Wirklichkeit traue ich mich doch gar nicht raus. In mir ein unzentriertes Karussell aus Angst, Schock, Entsetzen … Trotz allem: ich verstumme. Auch meine Gefühle sind verstummt, ich spüre nichts mehr. Höchstens etwas dumpfes. An meinem T-Shirt sehe ich einen weißen Streifen, den ich nicht verstehe. Ich warte darauf, daß noch irgendetwas kommt, aber es kommt nichts mehr. Ich glaube, das nennt man Agonie. Seelenagonie. Meine Seele im Todeskampf, hat eigentlich schon verloren. Ach, muß das schön sein, sich einfach hinlegen und auflösen. Niemand tut irgendjemandem irgendetwas an. Vielleicht gibt’s wirklich tote Seelen. Vielleicht auch nicht. Komm, hör jetzt auf. Es heißt, man solle keine Häuser betreten, wo man nicht wertgeschätzt wird. Staubabschütteln, umdrehen, gehen. So, jetzt hörst du aber wirklich und sofort auf mit diesem elenden Geschreibsel! Schluß! Aus! Und dieser Lärm, immer dieser Lärm, ich sehne mich so nach Stille. Wieder habe ich mich aufscheuchen lassen.

Tensegrityübung Innere Stille.
Tensegrityübung Träumen. (Stecken geblieben, wußte plötzlich nicht weiter. Macht nichts, aber eigenartig ist es schon. Wahrscheinlich, weil ich die Westwoodfolge umgedreht habe und Verzweiflung einem aus dem Innersten vertreibt.)
Tensegityübung Rekapitulation. (Bin neben mir. Verliere dauernd den Faden. Innen sehr aufgewühlt- Sturm im Wasserglas?)
Tensegrityübung Eigene Entscheidung. (Ich übe wie unter Drogen. Verzweiflung als Droge? Wut und Hassattacken; Wut und Hassphantasien.)
Jetzt erst die Aufwärmübung und die zur Reinigung von physischem Körper und Energiekörper, weil ich die Innere Stille zuerst machen wollte. Alles läuft wie daneben ab. Ohne inneren Schwerpunkt. Klotz in Hals und Brust. Druck hinter den Augen. Ziehen im Gesicht. Trotzdem: Schreiben führt einfach weiter. Nur in der Zeit kann etwas aufhören.
Erdform kurz, Quellform und wieder Reinigungsübung. Flucht in unpersönliche Sprache. Und essen. Einfach essen. Ein kräftiges Frühstück high noon.










©Peter Alois Rumpf    März 2016                 peteraloisrumpf@gmail.com

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]

<< Startseite