175 Krimi
„Heute liebt er Amy!“ höre ich
eine weibliche Stimme sagen, anscheinend zu einem Kommissar und es
schaut so aus, als wäre mit „er“ ich gemeint. Ich liege noch im
Bett. Einen Traumfetzen vorher hatte ich eine männliche Stimme
gehört, die gerufen hat „Tür Nummer drei!“. Ich vermutete
sofort, diese Typen wollen zu mir, weil drei die Nummer meiner
Wohnungstür war, darum bin ich gleich aufgeschreckt und wollte im
Schock gleich aufspringen. Ich dachte an irgendeine unangenehme
Kontrolle – Hygiene, Staub oder gar Kriminalpolizei. Ich lag ja
noch nackt im Bett und sollte mich noch schnell anziehen; lüften
geht sich wohl nicht mehr aus.
Ich habe es aber nicht geschafft,
gleich aus dem Bett zu springen und mir ist eingefallen, daß ich
jetzt woanders wohne, nicht mehr Tür Nummer drei – oder anders
gesagt, ich habe realisiert, wo ich bin – und mich deshalb
beruhigt, obwohl mir der Schreck noch in den Knochen steckte; ich
habe mich wieder zurückfallen lassen in den Zustand zwischen Traum
und Wirklichkeit, den ich so spannend finde. „Zurückfallen“
nicht körperlich, denn ich war wie gelähmt und konnte mich nicht
bewegen, mich nicht aufrichten, trotzdem habe ich ein deutliches Bild
davon, wie ich zurücksinke.
Ich bewege mich, löse die Schlafstarre
und denke nach, was diese Bilder und Traumelemente bedeuten könnten,
woher sie kommen und ob sie mir etwas mitteilen wollen, irgendetwas,
das erkannt zu haben mir auf meinem Lebensweg weiterhelfen könnte.
Mir fällt nichts Rechtes ein.
Sicher, das „Heute liebt er Amy!“
wird noch vom Filmbesuch vorgestern stammen und der Traumfetzen wird
meine Sorge, daß ich meine Familie nicht genug liebe, bearbeitet
haben. Aber daß heute alles gut ist, kann ich das glauben? Und so,
wie es ausschaut, wollte mich der Kommissar tatsächlich verhören.
Also bin ich zumindest verdächtigt. Das verdächtigte Ich hat sich
dann durch Flucht in die Realität der Sache entzogen. Schlechtes
Gewissen, hä?! Stellt man sich mit reinem Gewissen nicht einer
solchen Situation? Dann sagt man im Verhör einfach die Wahrheit und
vertraut im Falle einer Anklage auf die Gerechtigkeit des Gerichts,
auf seine Unbestechlichkeit und seine Verpflichtung zu Wahrheit und
Objektivität. Vor allem, wenn es sich um ein transzendentes Gericht
handelt, der irdischen Dualität (wie zum Beispiel Rapid gegen
Austria oder unser Clan, unsere Partei gegen die anderen) enthoben.
War das schon eine transzendente Kriminalpolizei? Oder noch nicht,
und mein mangelndes Vertrauen wäre erklärbar? Eine, die von dem lebt, was mir im
Aufwachsen eingeredet wurde und aus meinem persönlichen Misthaufen
kommt und nicht aus der Transzendenz?
Oder war die weibliche Stimme, die
„heute liebt er Amy!“ gesagt hat, die meines Schutzengels? Engel
werden oft weiblich dargestellt, obwohl reine Energiekörper kein
Geschlecht haben. Aber das ist halt die Unbeholfenheit unserer
transzendenzfernen Kultur.
Und die Hygiene-Staub-Kommission? Was
soll das? Mit fällt dazu der Staub auf meinem Nachttischchen und die absurde und lustige Geschichte „Traum“
von Daniil Charms ein, die in seiner Gegenwart, also in der
Stalinzeit, spielt und wo der „Held“ der Geschichte, in seinen
Träumen verfangen, von der Hygienekommission abgeführt wird. Die
Geschichte endet so: „Und die Sanitätskommission, die ihre Runde
durch die Wohnungen machte und Kalugin sah, befand ihn für
antisanitär und überhaupt untauglich und befahl dem Hausverwalter,
Kalugin zusammen mit dem Kehricht hinauszubefördern.
Sie legten Kalugin zusammen und
schafften ihn wie Kehricht hinaus“ (Daniil Charms, „Fälle“;
Haffmans Verlag, Zürich 1984; Seite 214)
Auch bei mir ist ja immer etwas falsch.
Etwas Grundsätzliches stimmt nicht. Daß sie das noch nicht bemerkt
haben! Würden sie es wissen, hätte ich grobe Schwierigkeiten:
eigentlich dürfte ich nicht leben, denn ich bin zu schwach und komme
mit dem Leben nicht zurecht. Ich weiß nicht, wie man in Österreich
in der zweiten Republik, nachdem die Todesstrafe abgeschafft worden
ist, mit solchen Typen umgeht, mit solchen, die eigentlich nicht
leben dürften.
Und was jetzt? Ich liege immer noch
nackt im Bett, aber ich schreibe. Wenn ich das gleich jetzt, vor der
Arbeit, in den Computer reinklopfe, dann wird mir kaum mehr Zeit für
meine täglich vorgesehenen Übungen bleiben. Aber nach dem Dienst zu
schreiben – da bin ich meistens zu müde und zu aufgekratzt
gleichzeitig, und außerdem habe ich beim Stand-PC nachts nur sehr
schlechtes Licht. Die Übungen in die Nacht verschieben?
Erfahrungsgemäß bringe ich dann auch nicht viel weiter, aus den
gleichen Gründen. Was tun? Ich glaube, ich werde das trotzdem gleich
reintippen.
(Anmerkung: Daniil Charms verhungerte
1942 bei der Belagerung – damals – Leningrads durch die deutsche
Armee im Gefängnis, in das er von den Sowjetbehörden gesperrt
worden war.)
©Peter
Alois Rumpf September 2015 peteraloisrumpf@gmail.com
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