Donnerstag, 20. August 2015

166 Alles ist gut


Der Wind bewegt Zweige und Blätter der Essigbäume ganz leicht. Jetzt fährt er in den großen, schlanken Weidenbaum, den ich besonders liebe, ganz sanft, und seine obersten Zweige wiegen sich hin und her. Rundherum ist Stille. Das Lauteste ist das Summen in meinen Ohren, manchmal höre ich noch ein kleines Kind singen, das die Stiegen hinuntergeht. Von Ferne die Geräusche – das Brummen und Scheppern - einer Baustelle.

Das kleine Lebensbäumchen im kleinen Blumentopf steht gerade und aufrecht gestreckt da, ganz ruhig und in hellem Grün leuchtend am Fensterbrett.

Eine vertraute Schwere liegt auf meinem Herzen, ohne daß ich weiß, warum. Ihre Überschrift heißt Vergeblichkeit. Die kleinere Katze will von mir gestreichelt werden und schaut und schnurrt mich an. Halbherzig und abwesend streiche ich über ihr Fell.
Aus dem Badezimmer dringt durch einen Türspalt gelbes Licht. Die Katze hat sich neben mich gelegt und genießt anscheinend meine Hand, die ich auf sie gelegt habe. Das Fell ist weich und angenehm. Regelmäßig gehen ihre leicht schnurrenden Atemzüge. Ich selber seufze tief.

Die größere Katze rennt laut die Treppe herauf und will auch her. Die beiden fangen zu streiten und pfauchen an, denn sie sind eifersüchtig. Obwohl die kleinere die größere verjagt hat, ist jene jetzt weggelaufen und beide sitzen am Boden und starren sich an.

Es ist wieder still.
Der Wind ist immer noch mit den Blättern und Zweigen der Bäume beschäftigt; ab und zu legt er eine Pause ein.

Jetzt kommt die größere Katze zu mir auf die Bank und will gestreichelt werden. Sie kommt nie, ohne vorher mit einem kurzen Miau zu fragen und nur, wenn ich mit einem Ja die Erlaubnis gebe. Zumindest, solange ich wach bin. Jetzt liegt sie neben mir und schnurrt. Die Kleine sitzt unterm Fenster und schaut mit zusammengekniffenen Augen her. Jetzt entspannt sie sich und legt sich hin.

Ich blicke wieder zum Fenster hinaus und schaue dem Wind in den Bäumen zu. Ich weiß nicht, warum mir das so nahe geht. Als wäre da draußen ein gutes Wesen unterwegs, das sich bei mir bemerkbar machen will und mich bittet, es herein zu lassen.
Und dann wieder anders: als würde sich da draußen etwas ganz Großes abspielen, dem gegenüber ich ganz unwichtig bin und wo es völlig genügt, daß ich dem unendlichen Schauspiel bloß zuschauen darf. Das ist immens beruhigend, denn ich brauche nichts sein; es ist okey, wenn ich nichts bin. Denn ich bin nichts.

Eine kleine Freude explodiert in Zeitlupentempo inmitten der Schwermut und dehnt sich aus und wird größer; ein Lachen schwebt vor meinem inneren Auge, das nach innen schaut.

Der Wind schüttelt kurz den Weidenbaum und ein paar Augenblicke später auch die Essigbäume mit ihren dichten Blättern, aber nur kurz, dann ist er wieder ganz sanft und spielt leise mit den Bäumen.

Die Katze hat zu schnurren aufgehört und es ist wieder ganz still, nur das Surren in meinen Ohren dröhnt leise. Ein leises Dröhnen, wenn so etwas möglich ist.

Aus einer Nachbarwohnung höre ich das Rauschen einer Klospülung. Ein Gefühl steigt in mir auf, daß alles gut ist. Ich fühle mich reich und unwichtig. Was für eine herrliche Kombination voller Freiheit! Mein Herz jubelt; wie ein Kind gehe ich durch die Welt während ich hier sitze. Der Wind stimmt mir zu, indem er wieder mit seinen Bäumen spielt. Bettzeug und Handtücher, die hier auf zwei Wäscheleinen an der rechten Seite des Raumes hängen und schon lange trocken sind, geben der Szene etwas leicht Absurdes. Auch das gefällt mir; ich werde die Wäsche heute noch nicht abnehmen.

Wieder seufze ich, erleichtert. Die Stille ist köstlich. Das Schauspiel der windbewegten Bäume großartig. Die fernen Geräusche der Baustelle und die der Waschmaschine unten verbleiben in einem Bereich, der noch zur Stille gehört.

Ich schaue mich in diesem Raum, dem ehemaligen Atelier, um und finde alles schön. Alles ist an seinem Platz, auch das Chaos der Farbflecken am Boden.









©Peter Alois Rumpf August 2015 peteraloisrumpf@gmail.com

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