166 Alles ist gut
Der Wind bewegt Zweige und Blätter der
Essigbäume ganz leicht. Jetzt fährt er in den großen, schlanken
Weidenbaum, den ich besonders liebe, ganz sanft, und seine obersten
Zweige wiegen sich hin und her. Rundherum ist Stille. Das Lauteste
ist das Summen in meinen Ohren, manchmal höre ich noch ein kleines
Kind singen, das die Stiegen hinuntergeht. Von Ferne die Geräusche –
das Brummen und Scheppern - einer Baustelle.
Das kleine Lebensbäumchen im kleinen
Blumentopf steht gerade und aufrecht gestreckt da, ganz ruhig und in
hellem Grün leuchtend am Fensterbrett.
Eine vertraute Schwere liegt auf meinem
Herzen, ohne daß ich weiß, warum. Ihre Überschrift heißt
Vergeblichkeit. Die kleinere Katze will von mir gestreichelt werden
und schaut und schnurrt mich an. Halbherzig und abwesend streiche ich
über ihr Fell.
Aus dem Badezimmer dringt durch einen
Türspalt gelbes Licht. Die Katze hat sich neben mich gelegt und
genießt anscheinend meine Hand, die ich auf sie gelegt habe. Das
Fell ist weich und angenehm. Regelmäßig gehen ihre leicht
schnurrenden Atemzüge. Ich selber seufze tief.
Die größere Katze rennt laut die
Treppe herauf und will auch her. Die beiden fangen zu streiten und
pfauchen an, denn sie sind eifersüchtig. Obwohl die kleinere die
größere verjagt hat, ist jene jetzt weggelaufen und beide sitzen am
Boden und starren sich an.
Es ist wieder still.
Der Wind ist immer noch mit den
Blättern und Zweigen der Bäume beschäftigt; ab und zu legt er eine
Pause ein.
Jetzt kommt die größere Katze zu mir
auf die Bank und will gestreichelt werden. Sie kommt nie, ohne vorher
mit einem kurzen Miau zu fragen und nur, wenn ich mit einem Ja die
Erlaubnis gebe. Zumindest, solange ich wach bin. Jetzt liegt sie
neben mir und schnurrt. Die Kleine sitzt unterm Fenster und schaut
mit zusammengekniffenen Augen her. Jetzt entspannt sie sich und legt
sich hin.
Ich blicke wieder zum Fenster hinaus
und schaue dem Wind in den Bäumen zu. Ich weiß nicht, warum mir das
so nahe geht. Als wäre da draußen ein gutes Wesen unterwegs, das
sich bei mir bemerkbar machen will und mich bittet, es herein zu
lassen.
Und dann wieder anders: als würde sich
da draußen etwas ganz Großes abspielen, dem gegenüber ich ganz
unwichtig bin und wo es völlig genügt, daß ich dem unendlichen
Schauspiel bloß zuschauen darf. Das ist immens beruhigend, denn ich
brauche nichts sein; es ist okey, wenn ich nichts bin. Denn ich bin
nichts.
Eine kleine Freude explodiert in
Zeitlupentempo inmitten der Schwermut und dehnt sich aus und wird
größer; ein Lachen schwebt vor meinem inneren Auge, das nach innen
schaut.
Der Wind schüttelt kurz den Weidenbaum
und ein paar Augenblicke später auch die Essigbäume mit ihren
dichten Blättern, aber nur kurz, dann ist er wieder ganz sanft und
spielt leise mit den Bäumen.
Die Katze hat zu schnurren aufgehört
und es ist wieder ganz still, nur das Surren in meinen Ohren dröhnt
leise. Ein leises Dröhnen, wenn so etwas möglich ist.
Aus einer Nachbarwohnung höre ich das
Rauschen einer Klospülung. Ein Gefühl steigt in mir auf, daß alles
gut ist. Ich fühle mich reich und unwichtig. Was für eine herrliche
Kombination voller Freiheit! Mein Herz jubelt; wie ein Kind gehe ich
durch die Welt während ich hier sitze. Der Wind stimmt mir zu, indem
er wieder mit seinen Bäumen spielt. Bettzeug und Handtücher, die
hier auf zwei Wäscheleinen an der rechten Seite des Raumes hängen
und schon lange trocken sind, geben der Szene etwas leicht Absurdes.
Auch das gefällt mir; ich werde die Wäsche heute noch nicht
abnehmen.
Wieder seufze ich, erleichtert. Die
Stille ist köstlich. Das Schauspiel der windbewegten Bäume
großartig. Die fernen Geräusche der Baustelle und die der
Waschmaschine unten verbleiben in einem Bereich, der noch zur Stille
gehört.
Ich schaue mich in diesem Raum, dem
ehemaligen Atelier, um und finde alles schön. Alles ist an seinem
Platz, auch das Chaos der Farbflecken am Boden.
©Peter
Alois Rumpf August 2015 peteraloisrumpf@gmail.com
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