Samstag, 22. August 2015

168 Die ganz kleine Lichtung


An manchen Stellen blinken die Nadeln der Föhre, als wäre diese von Licht- und Energietropfen geschmückt, und einzelne Fäden der Spinnennetze glitzern vereinzelt wie ganz feines, dünnes Lametta. Die Nadeln der dunklen Fichte changieren zwischen einem schwachen gelblichen und einem schwachen bläulichen dunkleren grünen Strahlen.
Mein Blick geht durch ein Gestell wie in einen finsteren Wald. Es ist auch still – für einen Moment. Da weiter hinten leuchtet zwischen den Bäumen ein Stück Wiese mit ihrem Sonnenlicht hervor. Eine ganz kleine Lichtung. Das leuchtende Wiesenstück – jetzt gerade vom Wind leicht bewegt – wird ein Sammlungspunkt für all meine Sehnsucht. Der guten wie der zweifelhaften. Dort! Dort! Dort ist es! So nah!
Ich weiß, wenn ich hinginge – jetzt versperrt mir ein Maschendrahtzaun den Weg – aber wenn ich hinginge, die Sehnsuchtsstelle würde sich weiter nach hinten verschieben. Oder nach rechts, oder links, oder nach irgendwo.

Ich schaue hin. Immer wieder schaue ich hin. Es ist gut, daß ich nicht hingehen kann. Das Büschel Gras in der Mitte steht jetzt ganz ruhig in der Sonne. Nichts regt sich. Nur stumpfsinnige, unsensible Autos fahren im Zweisekundentakt links unten auf der Straße vorüber. Ich sehe sie nicht. Ich höre nur ihre aufdringliche, flüchtige Anwesenheit. Sie haben nie genug, nie hören sie auf, nur für kurze Momente reißt die unangenehme und unzusammenhängende Karawane ab; dann ist es still. Ferne Flugzeuggeräusche, so weit weg fast schon wieder idyllisch.

Um die Bäumen tanzen Insekten im Sonnenlicht. Eine kleine Wolke rast wie ein nebliges Universum im Zeitraffer auf uns zu. Jetzt sehe ich, sie ist die Vorläuferin einer größeren weißen wolkigen Welt, die hinter der Birke hervorkommt.

Nichts rührt sich. Kein Blatt bewegt sich. Nur ein ganz sanfter Hauch bringt vier, fünf Blätter des jungen Ahornbäumchens in leises Schwingen.

Da hinten hängen die Nüsse schwer im kleinen Baum. Ein Liegestuhl wird schweigend, aber seufzend umgedreht. Ich höre zu schreiben auf. Da wirft mich ein kühler Windstoß aus meiner Versunkenheit und erzeugt ein kurzes Rauschen in den Bäumen.

Jetzt habe ich den Standort gewechselt. Die Sonne scheint mir ins Gesicht und ich kann die Dächer der Autos sehen, die angestrengt und zielverbissen die niedere Anhöhe hinauf und ebenso angestrengt und irgendwie verklemmt wirkend die Anhöhe hinunterfahren.
Eine dumpfdröhnende Stimme aus dem Fernseher, hinten im Haus, mit unnatürlichem Klangkörper, weit genug, daß ich nichts verstehe. Ich will auch nichts verstehen.

Ein Lachen aus einer anderen Ecke des Gartens und immer und immer wieder das Brummen und Burren der Autos.
Ein kleiner, weißer Schmetterling vollbringt sein absichtslos scheinendes Flugwerk, in Wirklichkeit arbeitet er sich zielgerichtet von Blüte zu Blüte.

Der Sog der lauten, unruhigen Straße links unten zieht immer wieder meine Aufmerksamkeit ab, zu sich hinunter in den Graben, und wenn sie dann dort ist, wendet sie sich enttäuscht, gestresst und genervt wieder weg. Selbst ein sanft, ruhig und majestätisch dahinschreitendes älteres orientalisches Paar auf dem Gehsteig kann die laute, gewalttätige Motorisiertheit da unten nicht ausbalancieren.
Dem weißen Schmetterling ist das egal; er schaukelt geduldig zur nächsten Blüte. Fast wird mir meine Sehnsucht nach Stille unheimlich.

Direkt vor mir ragt eine mächtige Fichte in den Himmel; ihr Wipfel scheint die langsam vorbeiziehenden Wolken zu erreichen. Die Sonne hat sich hinter einer kleinen, dünnen Schleierwolke verhüllt.

Vielleicht sind alle Autos fremdgesteuert von Aliens; im Moment kommt mir das sehr plausibel vor.









©Peter Alois Rumpf August 2015 peteraloisrumpf@gmail.com

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