Freitag, 21. August 2015

167 Aus meinem Zimmer


Die küssenden Gesichter lachen und leuchten mich an. Ein Schmetterling und zwei bunte Kreuze begleiten die zwei übereinanderhängenden USB-Sticks. Das eine Kreuz aus Stroh krönt ein Bethlehemstern aus Papier, und das andere ist ein Photo eines Neuvaliskreuzes in einer durchsichtigen Folie. Der Schatten der eingeschalteten Lampe am Nachttischchen bildet eine schöne, mythisch scheinende Gestalt. Rechts unten, am Nachttischchen stehend, zu zwei Drittel im Schatten, gehört die verstaubte Welt mir, von einer Tochter mir zugesprochen als Geschenk. Büchertürme am Nachttisch, davor, neben dem Bett, von einer Lesebrille gekrönt. Gestapelte Hefte für Träume, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Vergessene Medikamente und Staub, viel Staub, den der Zimmerinhaber selten wegwischt. (Er beschreibt lieber, als daß er eingreift.) Eine rote Taschenlampe leuchtet aus dem Schatten der offenen Fächer des Nachttischchens hervor, ohne eingeschaltet zu sein. Eine zusammenhängende Serie von Blumenbildern verdeckt die Photos des geliebten Grimmings. Die geschlossene, achteckige Durchreiche, mit dem schönen Türl aus Holz.

Am Nachttischchen kann ich nur noch einen Kugelschreiber erkennen – obwohl ich weiß, daß dort ihrer zwei und ein Bleistift liegen -, den Schlüsselbund, die Geldbörse wahrnehmen, und einen schwarzen, magischen Briefbeschwerer aus Leder, mit schweren Körnern gefüllt, auf dessen einer Seite TENSEGRITY steht und auf der anderen SILENCE.

Die Lampe beleuchtet mehr oder weniger sich selbst; im Lichtkegel sonst fast nur die schön zerschundene Wand und ein kleiner Teil des oberen, hölzernen Kopfendes des Bettes. Mein Bett liegt aufgeschlagen, das Leintuch zerwühlt von nicht ganz angekommenen Träumen. Der kleine Polster mit den roten Tieren aus Mexiko, das größte ein Vogel, der eine Blume im Schnabel hält; daneben lehnen seitlich einigermaßen aufrecht zwei weitere Pölster, der kleinere mit einer schönen weißen Schneeflocke auf blau.

Die Bettdecke hängt ein wenig über das Fußende des Bettes und berührt einen Plastiksack mit Regenpellerinen.

Wieder an der Wand hinten steht ein offener Kasten mit Kleidung, oben drei Schachteln auf denen alle Röntgenbilder und Befunde von Jahren liegen. An seiner linken Wand hängt mein Rekapitulationstuch, das ich schon lange nicht mehr genutzt habe; eine kleine, alte Krawatte, ein Bademantel, der unten einen Knausgardband streift; ein verstaubter, alter Feldstecher, den ich von meinem Vater geerbt habe. Und es lehnen am linken Kastenrand eine Holzleiste mit einem zusammengerollten Tuch drauf, das ich verwende, um mir meinen inputreduzierten Rekapitulationsplatz zu machen, was ich schon lange nicht mehr getan habe; und eine Holzleiste mit Spagatschnur zum Aufhängen, mit der ich das Empfinden des Energiezentrums über dem Kopf trainiert habe.

In der Ecke steht noch ein Papiersack mit Papierabfällen.

Wir schauen Richtung Südost.







©Peter Alois Rumpf August 2015 peteraloisrumpf@gmail.com

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