167 Aus meinem Zimmer
Die küssenden Gesichter lachen und
leuchten mich an. Ein Schmetterling und zwei bunte Kreuze begleiten
die zwei übereinanderhängenden USB-Sticks. Das eine Kreuz aus Stroh
krönt ein Bethlehemstern aus Papier, und das andere ist ein Photo
eines Neuvaliskreuzes in einer durchsichtigen Folie. Der Schatten der
eingeschalteten Lampe am Nachttischchen bildet eine schöne, mythisch
scheinende Gestalt. Rechts unten, am Nachttischchen stehend, zu zwei
Drittel im Schatten, gehört die verstaubte Welt mir, von einer
Tochter mir zugesprochen als Geschenk. Büchertürme am Nachttisch,
davor, neben dem Bett, von einer Lesebrille gekrönt. Gestapelte
Hefte für Träume, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Vergessene
Medikamente und Staub, viel Staub, den der Zimmerinhaber selten
wegwischt. (Er beschreibt lieber, als daß er eingreift.) Eine rote
Taschenlampe leuchtet aus dem Schatten der offenen Fächer des
Nachttischchens hervor, ohne eingeschaltet zu sein. Eine
zusammenhängende Serie von Blumenbildern verdeckt die Photos des
geliebten Grimmings. Die geschlossene, achteckige Durchreiche, mit
dem schönen Türl aus Holz.
Am Nachttischchen kann ich nur noch
einen Kugelschreiber erkennen – obwohl ich weiß, daß dort ihrer
zwei und ein Bleistift liegen -, den Schlüsselbund, die Geldbörse
wahrnehmen, und einen schwarzen, magischen Briefbeschwerer aus Leder,
mit schweren Körnern gefüllt, auf dessen einer Seite TENSEGRITY
steht und auf der anderen SILENCE.
Die Lampe beleuchtet mehr oder weniger
sich selbst; im Lichtkegel sonst fast nur die schön zerschundene
Wand und ein kleiner Teil des oberen, hölzernen Kopfendes des Bettes.
Mein Bett liegt aufgeschlagen, das Leintuch zerwühlt von nicht ganz
angekommenen Träumen. Der kleine Polster mit den roten Tieren aus
Mexiko, das größte ein Vogel, der eine Blume im Schnabel hält;
daneben lehnen seitlich einigermaßen aufrecht zwei weitere Pölster,
der kleinere mit einer schönen weißen Schneeflocke auf blau.
Die Bettdecke hängt ein wenig
über das Fußende des Bettes und berührt einen Plastiksack mit
Regenpellerinen.
Wieder an der Wand hinten steht ein
offener Kasten mit Kleidung, oben drei Schachteln auf denen alle
Röntgenbilder und Befunde von Jahren liegen. An seiner linken Wand
hängt mein Rekapitulationstuch, das ich schon lange nicht mehr
genutzt habe; eine kleine, alte Krawatte, ein Bademantel, der unten
einen Knausgardband streift; ein verstaubter, alter Feldstecher, den
ich von meinem Vater geerbt habe. Und es lehnen am linken Kastenrand
eine Holzleiste mit einem zusammengerollten Tuch drauf, das ich
verwende, um mir meinen inputreduzierten Rekapitulationsplatz zu
machen, was ich schon lange nicht mehr getan habe; und eine
Holzleiste mit Spagatschnur zum Aufhängen, mit der ich das Empfinden
des Energiezentrums über dem Kopf trainiert habe.
In der Ecke steht noch ein Papiersack
mit Papierabfällen.
Wir schauen Richtung Südost.
©Peter
Alois Rumpf August 2015 peteraloisrumpf@gmail.com
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