Dienstag, 25. August 2015

169 Am Grunde eines kleinen Schwimmbeckens


Ich liege am Grunde eines kleinen Schwimmbeckens, das aber nicht mit Wasser, sondern mit Dämmerung gefüllt ist. Eine kleine Wintersonne leuchtet mir entgegen, obwohl Spätsommer ist. Ich bin im Zustand der Auflösung, meine Gedanken krabbeln wie verlorengegangene Unterwasserameisen umher und finden nicht mehr zum Zusammenhang zurück.

Eine Etage tiefer wird Kopfstand geübt; ich kann es an den Geräuschen der am Boden aufschlagenden Füße erkennen. Der erste klare Gedanke seit mindestens zwanzig Minuten. Eine dünne Säule aus bläulichem Tageslicht wird vom heftigen Wind verschmälert und wieder verbreitert.

Das lästige Heulen einer Klimaanlage draußen erfüllt jetzt innen den ganzen Raum, den ich als „kleines Schwimmbecken“ tituliert habe, weil ich so abgesunken bin. Allmählich, ganz langsam, komme ich hoch. Ich liege noch am Boden des „Schwimmbeckens“ - ich schwimme nicht und ich will auch nicht auftauchen – aber habe mich etwas aufgerichtet. Nur ein wenig. Mein Bewußtsein wird wieder stabiler. Ich bin mir nicht sicher, ob es das mag, denn ein tiefer, schmerzvoller Seufzer verläßt meine Brust.

Ganz unten liegen und sich auflösen. Nichts mehr zusammenhalten, nichts mehr kontrollieren, keinen Realitycheck mehr; alles einfach lassen. Alles auslassen – die Gedanken, Gefühle, die Ziele, die Pläne, die blöde Vergangenheit, die krampfhaft zusammengekrallte Gegenwart, die immer wieder umgestoßene Zukunft... alles darf herumkrabbeln, irgendwohin und zurückkommen oder verloren gehen. Angst wird wohl auch dabei sein, wie in einem leichteren Albtraum.

Der Wecker tickt, als wäre so alles in Ordnung. Das vertraute, viel zitierte Surren im Ohr, als würde sich von Ferne eine Panik ankündigen. Aber ich bin ruhig, ganz ruhig. Ich nehme alles hin. Obwohl mein Herz ein wenig unruhig schlägt. Das Surren hat tatsächlich einen angstmachenden Unterton, aber es macht mir jetzt keine Angst. Ich weiß, ich verstehe nichts. Ich kann nur nur am Grund unten liegenbleiben. Mehr kann ich nicht. Ein bißchen aufrichten. Ein bißchen herumschauen.

Für einen Moment hatte ich den Gedanken, ich wäre im Auge eines Orkans. Aber es ist jetzt still. Ich höre draußen keinen Orkan. Auch die Klimaanlage hat aufgehört.
Jetzt startet sie wieder, ihr Geräusch ist zwar lästig, aber sehr schwächlich. Laut, aber keine Kraft; nur das jammernde Heulen einer verwöhnten Welt.
Jetzt werde ich hochmütig. Ich? Da unten am Grund? Oder ist das nur eine der Ameisen, die sich verstiegen hat? Oder eine Luftblase aus schlecht verdauten Gedanken?

Langsam werde ich anders. Mittiger. Ich werde raus aus der Dämmerungsbrühe. Schreiben ist das, was mich herausholt. Ob das eine Rettung ist?










©Peter Alois Rumpf August 2015 peteraloisrumpf@gmail.com

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