169 Am Grunde eines kleinen Schwimmbeckens
Ich liege am Grunde eines kleinen
Schwimmbeckens, das aber nicht mit Wasser, sondern mit Dämmerung
gefüllt ist. Eine kleine Wintersonne leuchtet mir entgegen, obwohl
Spätsommer ist. Ich bin im Zustand der Auflösung, meine Gedanken
krabbeln wie verlorengegangene Unterwasserameisen umher und finden
nicht mehr zum Zusammenhang zurück.
Eine Etage tiefer wird Kopfstand geübt;
ich kann es an den Geräuschen der am Boden aufschlagenden Füße
erkennen. Der erste klare Gedanke seit mindestens zwanzig Minuten.
Eine dünne Säule aus bläulichem Tageslicht wird vom heftigen Wind
verschmälert und wieder verbreitert.
Das lästige Heulen einer Klimaanlage
draußen erfüllt jetzt innen den ganzen Raum, den ich als „kleines
Schwimmbecken“ tituliert habe, weil ich so abgesunken bin.
Allmählich, ganz langsam, komme ich hoch. Ich liege noch am Boden
des „Schwimmbeckens“ - ich schwimme nicht und ich will auch nicht
auftauchen – aber habe mich etwas aufgerichtet. Nur ein wenig. Mein
Bewußtsein wird wieder stabiler. Ich bin mir nicht sicher, ob es das
mag, denn ein tiefer, schmerzvoller Seufzer verläßt meine Brust.
Ganz unten liegen und sich auflösen.
Nichts mehr zusammenhalten, nichts mehr kontrollieren, keinen
Realitycheck mehr; alles einfach lassen. Alles auslassen – die
Gedanken, Gefühle, die Ziele, die Pläne, die blöde Vergangenheit,
die krampfhaft zusammengekrallte Gegenwart, die immer wieder umgestoßene
Zukunft... alles darf herumkrabbeln, irgendwohin und zurückkommen
oder verloren gehen. Angst wird wohl auch dabei sein, wie in einem
leichteren Albtraum.
Der Wecker tickt, als wäre so alles in
Ordnung. Das vertraute, viel zitierte Surren im Ohr, als würde sich
von Ferne eine Panik ankündigen. Aber ich bin ruhig, ganz ruhig. Ich
nehme alles hin. Obwohl mein Herz ein wenig unruhig schlägt. Das
Surren hat tatsächlich einen angstmachenden Unterton, aber es macht
mir jetzt keine Angst. Ich weiß, ich verstehe nichts. Ich kann nur
nur am Grund unten liegenbleiben. Mehr kann ich nicht. Ein bißchen
aufrichten. Ein bißchen herumschauen.
Für einen Moment hatte ich den
Gedanken, ich wäre im Auge eines Orkans. Aber es ist jetzt still.
Ich höre draußen keinen Orkan. Auch die Klimaanlage hat aufgehört.
Jetzt startet sie wieder, ihr Geräusch
ist zwar lästig, aber sehr schwächlich. Laut, aber keine Kraft; nur
das jammernde Heulen einer verwöhnten Welt.
Jetzt werde ich hochmütig. Ich? Da
unten am Grund? Oder ist das nur eine der Ameisen, die sich
verstiegen hat? Oder eine Luftblase aus schlecht verdauten Gedanken?
Langsam werde ich anders. Mittiger. Ich
werde raus aus der Dämmerungsbrühe. Schreiben ist das, was mich
herausholt. Ob das eine Rettung ist?
©Peter
Alois Rumpf August 2015 peteraloisrumpf@gmail.com
0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]
<< Startseite