Mittwoch, 31. Oktober 2007

27 Macher und Träumer

Wir leben in einer Welt, in der Träumer nicht viel Platz haben. Zwar taucht in der Werbung und in den Dokumenten von Selbstbeweihräucherung und Starkult dauernd das Wort „Traum-“ auf, um etwas als etwas besonders Tolles zu bezeichnen, aber das damit Bezeichnete ist dann immer etwas ganz im Irdischem Verfangenes und erreicht das Traumhafte gerade nicht. Immerhin heißt das, dass uns das Träumen fehlt. Aber die Menschen, die Träumer sind, die also strukturell schon mehr auf das Hintergründige, Unausgesprochene, Verborgene, Jenseitige, Transzendente, Innerliche ausgerichtet sind, haben spätestens in der Schule wenig Chance, ihren eben nicht am Vordergründigen und seinen Spielregeln und Zwecken gebundenen, aber dafür traumwandlerischen Weg zu finden. Oder die Eltern ertragen es nicht, dass ihr Kind nicht um die gesellschaftlich ersten Plätze mitspielt. Es wird alles getan, um sie umzupolen. Sie sollen so für die duale Welt der Durchsetzung, der Siege und Niederlagen, der Vor- und der Nachteile etc. dressiert werden, damit sie sich darin zurechtfinden sollen, werden so aber nur ihres traumwandlerischen Instinktes beraubt und letztlich zerstört. So wie es keine mäandernde Flüsse mehr geben darf, sondern nur mehr für die Nutzung durch die Industriegesellschaft zurechtkanalisierte (Ab-)Wasserkanäle, genau so darf es nur mehr durchrationalisierte, funktionelle, gestylte, organisierte, „nützliche“ Lebensläufe geben. Der Himmel will aber Träumer auf Erden, um durch sie in der Welt repräsentiert zu sein (von „dem Himmel bin ich auserkoren“ bis zum „Leben eines Taugenichts“). Das ist keine Frage von Moral und Ähnlichem, sondern der Grundausstattung der Menschen. Alle Menschen haben Anteil sowohl am Dualen (Irdischen) als auch am Nichtdualen, aber mit jeweils anderem Schwerpunkt: die Macher sind da zu machen und sich dabei in Demut vom „Anderen“ direkt oder indirekt inspirieren zu lassen („Heiliger Geist“) und die Träumer sind dazu da, den Himmel durch sich oder ihr Tun durchscheinen zu lassen, aber in Demut, ohne das normale Leben mit religiösen (z.B.) oder sonstigen Zwängen zu sekkieren oder zu terrorisieren. Wenn die Träumer ausgeschaltet sind, verliert das Ganze sein Gleichgewicht (man könnte auch sagen, es „entartet“) und steuert Richtung (Selbst-)Zerstörung. Eine Welt, in der der Himmel und seine Repräsentanten keinen Platz mehr haben, hat ihre Existenzgrundlage aufgehoben (vgl. auch die Bibel: „wenn nur ein Gerechter in der Stadt lebt, werde ich die Stadt verschonen“).

Wir müssen schon sehen, wie subtil die Ausschaltung der Träumer vor sich gehen kann: durch Bloßstellung etwa. Wenn z.B. eine Lehrerin in der Schule zu einem Kind sagt: „was stehst du herum! Du mit deiner blauen Jacke!“, weil sich das Kind an einem Gedränge (Dualität!) nicht beteiligt, sondern abwartet, bis der Wettkampf um die besten Plätze vorbei ist, so steht hinter dieser harmlos daherkommenden Bemerkung – und die Träumer haben einen ausgesprochen feinen Sinn für das Unausgesprochene, das sich bewusst oder unbewusst hinter solchen Aussagen verbirgt – nämlich eine unterschwellige, letztlich inquisitorische Aggressivität. Das Kind lernt: so wie ich bin darf ich nicht sein. Der Träumer hat schon den (vordergründigen) Nachteil, dass er die besten Plätze nicht ergattert, man muss ihn, wenn man eine Autorität ist (d.h. ein Repräsentant des Ganzen: also des Dualen wie des Nichtdualen und des ausgewogenen Verhältnisses beider zueinander), nicht auch noch bloßstellen. Dem Träumer macht der schlechtere Platz nichts aus, wenn man ihn dort in Ruhe lässt und ihm nicht einredet, dass er bei der Dualität mitkämpfen muss. Dreht man einen Träumer um, wird er entweder zerstört (z.B. Aufenthaltsort: Wien, Karlsplatz - Opernpassage) oder ein zerstörerischer (Pseudo-) Macher: seine innere Ausgerichtetheit auf das Unendliche ins Irdische gezerrt ist dann unendlich zerstörerischer Gigantismus, maßloses und anmaßendes Tun und grenzenloses Übergreifen auf alles und jeden (z.B. unser gegenwärtiges Wirtschaftssystem). Ein „normaler“ Macher in seinen Grenzen würde nie so weit gehen.

Was hier als Verdrängung des Träumens beschrieben wurde gilt zumindest für die offizielle Welt; mag sein, dass sich unter deren Oberfläche schon etwas ganz anderes zusammenbraut; mag sein, dass die Welt schon mit einer ganz anderen Kulturgestalt schwanger geht.

Wenn die Träumer sich aber darauf einlassen, sich als zu kurz gekommen zu sehen – was wegen der Nichtdualität in einer dualen Welt sehr nahe liegend ist - dann fangen sie an, sich nur mehr mit sich selbst zu beschäftigen und arbeiten so an ihrer eigenen Verhinderung kräftig mit.

© Peter Rumpf Allerheiligen 2007 peter_rumpf_at@yahoo.de

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