3829 Die depperte Mauer
Zirka 16:04. Nachmittag. Rachmaninoffs Klavierkonzert Nr. 2, c-moll, op.18 – auch eine Schallplatte aus der Verschenkkiste im Hausflur, die ich erst heute, beim zweiten Durchschauen des Stapels mitgenommen habe und beim ersten als uninteressant darin gelassen hatte. Ich habe den Text auf dem Plattencover gelesen und schaue mir jetzt das Photo des Pianisten an, in der Meinung, es wäre das des Komponisten und suche das Gesicht nach Anzeichen der Depression ab, als mir allmählich dämmert: das wird wohl der Pianist sein. Ich lache innerlich über meinen ungebildeten Fauxpas, der jedoch auch ein Hinweis auf die verborgenen Zusammenhänge in der Tiefe der Wirklichkeit sein könnte. Oder auch nicht. Die Schallplatte knackst wie eine brennendes Scheit im Ofen. Was sagst du zum Romantikvorwurf an den Komponisten? Vorsichtig ja. Aber fühle mich nicht befugt. Und sonst? Schönes Wetter heute. Das unglaubliche, hochstehende und betörende Sonnenlicht oben auf den Hausfassaden, das meine Seele glatt davonreißen könnte, schaute ich lange, lange hin. Was da an Sehnsucht, Hoffnungen und Lebensträume an diesen Wänden klebt! Oder sich zumindest zeigt. Ein regelrechtes Versprechen eigentlich: dass alles ganz anders ist. Ist! Anders als es erscheint. Ich schaue wirklich die ganze Zeit auf die depperte Mauer dort drüben, oben auf diesem Haus in gehörigem Abstand; auf eine Mauer, die nichts anders zu tun hat, als eine Hochterasse am Dach eines öden Siebzigerjahre-Neubaus seitlich abzuschließen.
(21.10.2024)
©Peter Alois Rumpf Oktober 2024 peteraloisrumpf@gmail.com
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