Dienstag, 1. Oktober 2024

3796 Abgespachtelt

 



11:54 a.m. 11: Zahl des Uranus; 54: mein Geburtsjahr – wird jetzt meine Geburt aufgehoben? Im Ernst: ich sitze wieder im Espresso Burggasse – inzwischen glaube ich, dass mir der werktägliche Cafébesuch zusteht – schaumamal ob mich die GöttInnen dabei so weit unterstützen, dass ich mir das leisten kann. Die Musik ist angenehm (ich schiebe das rote als Lesezeichen einlegbare Bandl meines Notizbuches, das sich mit dem Rot der Resopal(?)tischplatte unangenehm schlägt, unter das Notizbuch, damit ich diesen farblichen Zusammenstoß nicht anschauen muß). (Um dieses Phänomen besser beschreiben zu können, hole ich das Bandl wieder unterm Notizbuch hervor und lasse es wie vorhin am Tisch liegen und jetzt beginnt mir diese Kombination der zwei Rots zu gefallen: wie das hellere Rot des Bändchens aus der dunkler roten Tischfläche hervorleuchtet und so als ein Versprechen der Möglichkeit einer frischeren, jüngeren, erneuerten Lebendigkeit erscheint – darum lasse ich es jetzt so liegen.)

Ich drehe mich nach rechts indem ich das andere Bein überschlage und blicke so zum Fenster hinaus auf den farblich so schönen Stamm der Platane, deren trotz leicht gelblichem Einschlag noch grüne Blätter an ihren Zweigen im leichten, ganz leichten Wind schaukeln.

Nun blicke ich im Lokal herum und ein trauerunterlegtes Glück (Cappuccino 1) erfüllt mein Inneres und treibt mich in eine ein wenig lächerliche Rührung – aber das macht nichts! Das ist ok! Schließlich läßt man mich hier leben und ich fürchte mich nicht, hier attackiert, geschlagen oder angezündet zu werden. Hier darf ich sein. Hier kann ich schreiben, wenn auch diese Texte untergehen werden (das zum Beispiel ist auch eine Komponente der unterlegten Trauer – dass sie keine öffentliche Resonanz finden werden – ich mach aber auch nichts um das zu ändern, dafür fehlen mir Energie und Selbstverständlichkeit). Da ich heute am Tisch rechts meines Stammplatzes sitze, sehe ich im Spiegel an der Wand gegenüber einen anderen, verschobenen Ausschnitt der Wirklichkeit als letztens: das Garderobengestell mit ein paar Jacken, das Fenster sehe ich nicht, aber sein hereingelassenes Tageslicht auf der hellblauen Wand leuchten, das ungefähr halbrunde Gestell zur Aufhängung des Türvorhangs, der im Winter (oder schon im Herbst oder noch im Frühjahr) die Kälte beim Öffnen der Lokaltür abfängt. Rechts vom Spiegel, vor fünf gerahmten Photos, steht eine Flasche mit brennender Kerze. Ich hebe den Kopf in den Nacken und betrachte die Pracht der abgespachtelten, aber nicht mehr übermalten Decke, sodass die alten Farbschichten ihre Schönheit in beeindruckender, fleckiger Kombination zeigen können. Dann trinke ich meinen Kaffee aus und mache mich auf den Heimweg.


(1.10.2024)


©Peter Alois Rumpf Oktober 2024 peteraloisrumpf@gmail.com

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