Montag, 1. Juli 2024

3721 Schöllkraut

 



13:20. Es ist wieder schwül und heiß. 24°C. Ich schaue 131° SO. Meine Wanderung hierher hat eine gute halbe Stunde gedauert, eher mehr. Ich sitze im Hof 5. Fünf: Zahl der Venus. Das halbe Dezimalsystem sozusagen. (Beide schwarzen Pilotstifte gehen aus; beide werden immer schwächer.) Eine Krähe grummelt leise und verhalten vor sich hin. Viele Lindensamen säumen die Wege; tatsächlich verdichten sie sich an den Wegrändern. Das obligatorische Auto fährt herein. Ich würde auch Arbeiter zu Fußwegen verdonnern; warum müssen sie alle Wege mit dem Auto erledigen? Das Werkzeug und das Material auf ein Handwagerl und fertig. Die wenigen Ausnahmen, wo es wirklich nicht anders geht, kann man ja zulassen. Mich stört nur diese überhebliche Selbstverständlichkeit und unverschämte Selbstüberschätzung von Autoverkehr, Arbeit und „Wirtschaft“, selbst hier in den restheiligen universitären Ruhe- und Wissenszonen.

Der Wind wird stärker und ist angenehm. Ich blicke unter drei, vier hohe Bäume hindurch. Zeit habe ich genug, aber ich werde unruhig. Der Gedanke, dass ich mein Leben schon gelebt haben soll, ist unerträglich. Dass alles zu spät ist, ist kaum auszuhalten. So viele Träume für den Mistkübel. Wieder dieses Scheißfirmenauto! - ein Kastenwagen, nur der Fahrer, eine Leiter am Gepäckträger. Ich weiß schon, dass meine Aversion abseitig ist und kaum wirklich zu begründen (obwohl: Text Nummer 15 hier in der Schublade: „Warum Autofahren eine Sünde ist“).

Dachte ich mir’s doch! Jetzt fährt derselbe zum zweiten Mal den gleichen Weg zurück! Ich bezweifle, dass er überhaupt irgendwo ausgestiegen ist und etwas gemacht hat. Ich unterstelle, er will nur seine Arbeitszeit abfahren. „Natürlich“ kommen meine Unterstellungen aus Bitterkeit; vielleicht geht es darum, dass ich nie eine richtige Arbeit gefunden und nie Autofahren gelernt habe, obwohl es mir liegen könnte. Ich vermute, ich drivete gern.

Jetzt kommt derselbe wieder vorbeigefahren, das dritte Mal in dieselbe Richtung, zweimal schon retour. Es ist immer dasselbe Auto und derselbe Fahrer. Ich gehe lieber weiter.

13:56. Jetzt blicke ich hauptsächlich auf Schöllkraut.


(1.7.2024)


©Peter Alois Rumpf Juli 2024 peteraloisrumpf@gmail.com

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