Dienstag, 28. Mai 2024

3679 Jetzt weiß ich es wieder

 



15:16.  Meine Jagd war erfolgreich, ich habe das dritte Königreich gekauft. Ja, das war ein großer Cou (verdammt! Wie schreibt man das? Coup? - oder Coupe wie die Tasse? Oder schreibt man die auch anders?). Egal, ich schaue lieber auf die Passant*innen. Ich sitze innen im Café und mein Blick geht von der Rückwand über die ein paar Meter entfernten großen Fenster hinaus auf Terrasse, Gehsteig und Straße; trotzdem hat sich einer hergedreht und mich angeschaut, als hätte er meinen Blick bemerkt. Draußen auf der Wollzeile ist einiges los, aber was, das kann ich auch nicht sagen: nur: Menschen gehen hin und her, von links nach rechts, von rechts nach links, überqueren die Straße im Winkel von neunzig Grad oder schräg, manche flanieren, manche haben es eilig, manche gehen normal – was immer das ist. Ab und zu ein Auto, ab und zu ein Fahrrad. Ich trinke vom Wasser. Roller, Mopeds, Motorroller. Mein Blick verschafft mir keine Zugriff auf die Leute - ich komme nicht durch und das gehört sich auch so. Ein 3A-Bus, ein Fiaker, ein Taxi, das hupt (ich hätte beinah „hupft“ geschrieben, Schreibfehler, die mir in letzter Zeit erschreckend oft passieren, und das handschriftlich. Soll ich das „hupft“ benützen und den Text entgleiten lassen?). Große Gruppen, kleine Gruppen, Einzelgänger, alt, mittel, in den besten Jahren, jung. Hosen, Kleider. Kurz, lang, mittel. Dick, dünn, mittel, normal – was immer das ist. Der Mann zwei Tische weiter redet leise mit sich selbst und biegt und krümmt sich dabei ein wenig, richtet sich wieder auf, klopft und zappelt mit den Füßen; die Hände hält er sicherheitshalber verschränkt. In sein Gesicht sehe ich nicht; auf der Straße: lächelnd, gleichgültig, grantig, neutral, abweisend, schmerzhaft die Gesichter. Was will ich erreichen? Was will ich in der Welt? Könnte es bei mir auch so ausgehen wie nebenan zwei Tische weiter? Ja. Auch ich fange jetzt mit den Füßen zu wippen an. Ein Schluck Wasser, um noch länger Kaffee zu haben. (Irrtümlich habe ich ein „Schluß“ Wasser geschrieben. Solche Schreibfehler mit der Hand geschrieben und so häufig kommen mir ganz strange vor. Wer will mir dazwischenreden? Und was will er mir sagen?) Manche Passantengruppen sind Familien. Der letzte Schluck Kaffee. Manche wirken bedrückt; manche erhoben – fast wie schwebend gehen sie dahin („und der Ort wo sie“ gingen, „er hat sie vergessen.“), manche normal – was immer das ist. Interessiert sich umschauend, gleichgültig, abweisend, vor sich hin starrend, normal – was immer das ist. Ich bin nicht unzufrieden mit meiner Situation und Position hier, immerhin bin ich satt, habe einen Ort, wo ich mein Haupt hinlegen kann, konnte mir ein Buch kaufen, einen Kaffee, eine Torte leisten, aber ich bin nichts. Gar nichts. Jetzt weiß ich es wieder, jetzt spüre ich es wieder, weil mich jemand, eine Frau, angeschaut hat. Jetzt spüre ich es wieder, und zwar egal, ob sie es bemerkt hat oder nicht. Ich schaue wieder auf die Straße. Mein Blick will sich im ersten Moment festhalten, aber dann läßt er los und mich fallen. Aber ich sitze bequem. Jetzt werde ich wohl gehen.


(27.5.2024)


©Peter Alois Rumpf Mai 2024 peteraloisrumpf@gmail.com

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