Mittwoch, 22. Mai 2024

3672 Nur für Sekunden

 



0:08 a.m. Der Duft der blühenden Essigbäume zieht vom Hof über das Atelier, wo ich das große Atelierfenster gekippt habe, und über das Bilderlager und das Vorzimmer bis zu mir her in mein kleines Zimmer. Völlig still ist es. Ein paar Stäubchen – vermutlich Abrieb der Bettwäsche – schweben im gelben Lichtkegel der Leselampe, die ich auch zum Schreiben benutze. Ich halte meine Augen verschämt zurück, die Wände, die Bücher, die da in den Regalen stehen, und die Bilder, die überall herum lehnen und hängen, abzusuchen und halte meinen Blick tendenziell gesenkt. Warum ich das mache, weiß ich nicht. Vielleicht will ich ganz bei mir bleiben und schäme mich gerade meiner gierigen optischen Einsaugerei. Ich betrachte jetzt meine Hände und drehe sie hin und her: Innenseite – Außenseite – Innenseite – Außenseite – Innenseite – Außenseite (mit Außenseite ist der Handrücken gemeint – der innere Wichtigtuer). Jetzt bleibt mein Blick doch am Bücherregal an der Wand gegenüber hängen, das sich schon unter meinen müden Augen zu bewegen beginnt. Und manche Dinge bekommen schon eine weißlich strahlende Aura, wenn auch nur für Sekunden.


(22.5.2024)


©Peter Alois Rumpf Mai 2024 peteraloisrumpf@gmail.com

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