Donnerstag, 16. Mai 2024

3666 Gar nichts

 



12:12. In der Albertina sitze ich beim depperten Kardinal. Also vorm Spiegel. Aus dem Spiegel blickt ein Idiot her – der Kardinal – und einer, der mir nicht wesentlich besser vorkommt: auch irgendwie eine verhuschte Existenz – beim Kardinal wird das durch die strenge, schwere und kirchengeschichtliche Kleidung zu verdecken versucht – Oh! Der Schröder schreitet telephonierend an mir vorbei! - zurück zum Spiegelbild: die Hose unten komisch aufgebogen, eine zusammengesunkene Gestalt, ohne Körperspannung, die Kappe, die Brille und das Gesicht irgendwie (schon wieder! Der Korrektor) unpassend. Dafür sieht man – als Entschädigung – im Spiegel drei gespiegelte Klees. Nichts passt wirklich. Das habe ich heute schon beim Aufstehen bemerkt. Jetzt staut es sich ein wenig im schmalen Durchgang. Das hat mit stehen gebliebenen Betrachtern der Kardinalskulptur zu tun und mit meinen überschlagenen Beinen – wobei ja immer das eine absteht und hier in den engen Gang ragt. Die Aufsicht wird schon auf mich aufmerksam – kommt mir vor – ich sollte vielleicht weiter gehen. Ich sollte vielleicht wirklich weitergehen.

Nächste Rast bei den bladen Sphinxen: wieder Spiegeln gegenüber, in denen ich ein verhunzeltes Männchen sitzen sehe (und vorhin überraschenderweise einen Nachbarn vorbeigehen). Mein nie ganz freier und nie ganz unschuldiger Blick taxiert die Vorbeigehenden. Bei mir ist überhaupt keine Expertise, keine Exzellenz, nur ein dumpfes Gefühl im Kopf, begleitet von leichtem Kopfweh. Ich betrachte verlegen und aus Verlegenheit das Preispickerl am Pilotstift – ich schaffe es heute nicht, es abzuzupfen: meine Seele ist dazu nicht stark genug. Soll ich doch lieber ins Freie gehen?

Nun sitze ich heraußen auf der Rampe. Die frische, heute kühlere Luft tut mir gut. Interessant ist: links weht der Wind das rote Lesezeichenbändchen von links ins Notizbuch, rechts blättert er die rechten Seiten von rechts auf (ich schreibe auf der linken Seite). Auf meinem T-Shirt steht „Gar nichts!“ - und so fühle ich mich auch. „Gar nichts!“ ist müde. „Gar nichts!“ will nach Hause gehen. „Gar nichts!“ will sich aufs Bett legen. „Gar nichts!“ kämpft gegen seinen Überdruss. „Gar nichts!“ ist nicht einmal ein Windhauch in dieser Welt.


(16.5.2024)


©Peter Alois Rumpf Mai 2024 peteraloisrumpf@gmail.com

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