Freitag, 15. März 2024

3591 Im Vorzimmer

 



11:40 a. m. Ich warte auf den oder die Handwerker; ich weiß ja nicht, ob einer oder mehrere kommen. Nun habe ich mich ins Vorzimmer gesetzt, um ja nicht das Klopfen an der Wohnungstür zu überhören, denn der Lärmpegel im Tageskinderbereich ist momentan recht hoch. Gegenüber habe ich den Vorzimmerspiegel vor mir, in den zu schauen ich beinah gezwungen bin, wenn ich meinen Kopf hebe. Eine Situation fast wie beim depperten Kardinal in der Albertina, nur dass kein Kardinal da ist, nur ich. Die Terminangaben der Handwerker pflegen immer große Zeitspannen zu umfassen und wenn sie von öffentlichen Unternehmen wie Stadtwerke kommen, werden die Termine auch nicht vereinbart, sondern verordnet (das ist ein wenig unfair, denn wenn im ganzen Haus die Stromzähler ausgetauscht werden, ist es sinnvoll, dies in einer konzertierten Aktion zu machen – der innere Korrektor). Also sitze ich da und wenn ich meinen Kopf vom Notizbuch hoch hebe, blicke ich in mein Spiegelbild, was mich jetzt gerade nervt. Dabei schau ich eh nicht so schlecht aus, wie ich sehen kann. Oder macht der Spiegel schlanker? Oh! Auch hier hängen einige Bilder: eines von meiner Frau, sogar zwei von mir und einige Kinderzeichnungen und andere. Mein gemaltes ist eine ziemlich wild hingeworfene Landschaft aus der Rettenschoesser Zeit, meine Zeichnung zeigt Schuhe. Diese blöde Herumpasserei! Und mich machen solle Realitätstermine völlig nervös und unfähig, irgendetwas Sinnvolleres als das bloße Warten zu tun, weil ich alle diese Alltagsanforderungen als Obrigkeitsbefehle empfinde. In steigere mich in eine Wut hinein, gespeist von Phantasien über das, was bei der Begegnung mit den Handwerkern alles Furchtbares passieren könnte.

Jetzt wird es allmählich ruhig, die Tageskinder gehen schlafen. Darum höre ich den alten Gaszähler tuckern. Wird der auch ausgetauscht? Weiß er dann, dass er bald zum alten Eisen geworfen wird?

Ich habe all meinen Mut zusammengenommen und bin einen Stock tiefer gegangen, wo ich den Handwerker (einen!) gehört habe und ihn gebeten, nicht in der Tageskinderabholzeit zu kommen, weil dann das Vorzimmer voller abholender Eltern mit ihren Kindern ist. Mein Gott, oder wer oder was auch immer! Meine Befürchtungen waren völlig überflüssig. Der Mann war freundlich und die Situation ganz normal und unkompliziert. Dass ich immer noch mitten in den Ablagerungen meiner Kindheit sitze! Und es hat sich herausgestellt, dass nur der Stromzähler ausgetauscht wird.


(13.3.2024)


©Peter Alois Rumpf März 2024 peteraloisrumpf@gmail.com

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