Montag, 11. März 2024

3589 Chaos

 



8:43 a.m. Nachdem ich schon eine knappe Stunde im Bett aufgesetzt hocke und stumm und ohne Schreibzeug in mein Zimmer geschaut und alle Wände optisch abgegrast habe, hängt mein Blick jetzt nicht wie üblich an der großen Bücherwand direkt mir gegenüber, sondern links bei meiner Hausaltarwand fest, wo in einem auf einer Karl-Kraus-Karte gedrucktem Karl-Kraus-Zitat besonders groß das Wort „Chaos“ steht. Das ist wirklich eine schöne Wand, vollgetackert mit allen möglichen Bildern – ob Heiligenbildchen, Photos oder Kunstkarten und wahrhaft inspirierten Kinderzeichnungen, auf den Altarkonsolen drei Arten von Räuchergefäßen – fast nie benutzt – der schöne Grimming aus Karton, die an die größere Konsole gelehnten Walkingstecken, der ausgetrocknete Weihbrunnen, in den zwei Geburtstagsglückwunschkarten gerutscht sind, eine persönliche, eine vom Wiener Bürgermeister, darunter der Kleiderablagesessel. Über den vielen Bildern eine Reihe getrockneter Blätter aus dem Augarten. Als Neuestes ein schmales, tiefblaues Band, das ich vor kurzem als Zierde in Form eines V über diese Wand gespannt habe. Und ganz oben, in gehörigem Abstand, schon unter dem Plafond ein kleines von mir vor vielen Jahren gemaltes Bild, das eine jesusartige Figur zeigt, die einer anderen Figur mit Zruckfrisur vermutlich Taubheit heilend einen grotesk und manieriert überlangen Finger ins rechte Ohr steckt, während um die Gestalten energetische Ausbrüche angedeutet sind (Verdad! Ich bin kein Freudianer!). Die aus Steinen gebildete, abstrakt wirkende Meditations- oder Herrgotts- oder Unsere-Liebe-Frau-von-was-weiß-ich-was-Figur lehnt melancholisch an der Wand, ich jedoch bin ziemlich gut drauf, nur was die Tagesgestaltung betrifft noch ein wenig unentschlossen.

Mit den Augen endlich wieder zur vielbegafften frankophonen Schweizerin zurückgekehrt stelle ich fest, dass sie wieder so üppig erscheint. Diese optische Täuschung erstaunt mich immer wieder, denn die Gestalt der Frau ist schlank gemalt. Vielleicht hat dieser Effekt mit dem aus dem Bild herausleuchtenden Weiß des rechten Armes zu tun.

Mit dem Schreiben bin ich nun deutlicher und fester in dieser Welt angekommen und mein Körper signalisiert mir, dass er sich baldige Aktivitäten wünscht.


(11.3.2024)


©Peter Alois Rumpf März 2024 peteraloisrumpf@gmail.com

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