Donnerstag, 28. Dezember 2023

3495 Das Zimmer verlassen

 



Ich sitze im Bademantel auf dem Bett im Hotelzimmer, ein Handtuch auf dem Kopf wegen der nassen, noch nicht rossgeschwänzelten Haare; die Füße in Wollsocken, auf dass sie nicht kalt werden und dämmere vor mich hin, wie es auch der Tag bald tun wird. Still ist es hier am Fuße des Schlossberges inmitten der Stadt; punktuell dringen auch Sonnenlichtflecken herein: einer auf dem Gazevorhang südseitig (genau: 166° Süd), ein paar glänzen auf dem Messingbilderrahmen, vom kleinen Nordfensterchen her beleuchtet – über wie viele Spiegelungen weiß ich nicht. Dann ist auch innen Funkstille, oder lediglich ein Patt der verschiedenen Assoziationsketten. Die blau-gelb-braune Zeichnung gefällt mir, wiewohl immer wieder eine Gestalt in eine andere kippt (beim Betrachter induzierter Kippeffekt). Ich gehe nicht hin, um mir das genauer anzuschauen. Später dann. Immer wieder schleicht schwacher Lichtschein in den schattigen, sonnenunzugänglichen Hinterhöfen herum. Diese Gaze-Netz-Vorhänge machen mit ihrer vielfachen Faltigkeit auch interessante sinnlich betörende Licht-Schatten-Spiele. Die Lüftung im Bad surrt schwächer als es bei mir in den Ohren macht. Ich gehe jetzt zur Zeichnung. Zu meiner Freude entdecke ich auch gekonnt hingekritzelte weibliche Brüste. Die Signatur des Künstlers kann ich nicht entziffern; nur die Jahreszahl 1961 (Nachtrag: Peter Bischof, 1967). Ich glaube drei Frauen-, zwei Männer-Akte. Nein, vier Frauen. Vielleicht sind es auch drei Männer. Die Zeichnung gefällt mir immer mehr. Vielleicht sind es auch acht oder neun nackte menschliche Gestalten. Und jetzt heißt es aufbrechen und das Zimmer verlassen.


(28.12.2023)


Peter Alois Rumpf Dezember 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

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