Montag, 14. August 2023

3343 Die Nahrungszufuhr

 



8:52 a.m. Holzrabe und Holzmöwe schaukeln. Mein Zimmer ist heute besonders räumlich; mein Blick geht besonders in die Tiefe, so, dass meine Seele sich aufregt und nervös wird, glaubt, sie sei an eine andere Dimension geraten. Mein Blick schiebt die Bücher im Regal weiter nach hinten und schaut so Wölbungen in die Alltagswelt. Nur langsam kehrt die vertraute Oberflächlichkeit zurück, aber kippt manchmal wieder weg. Der Rabe schaukelt immer noch, an der Möwe kann ich keine Bewegung erkennen. Nur wenn ich ganz lange mit einem Auge hinstarre, ahne ich ein minimalistisches Zucken (im Innersten sind die Schwingungen noch nicht ganz fertig). Der Rabe schaukelt sich noch immer seine Einsamkeit weicher. Momentan kommt es mir sehr verwegen vor, auf die Bücherwand da stolz zu sein, wenn nicht gar größenwahnsinnig. Mir wird schlecht. Meine Psyche kriegt sich nicht ein. Jetzt klappern mir die Zähne. Mein Geist versucht frömmelnd so zu tun, als wäre nichts Besonders (und alles in Gottes Ratschluß gütlich aufgehoben). Ich beruhige mich beim Anblick meiner frankophonen Schweizerin. Ihr herausleuchtender rechter Arm, mit dem sie ihren Busen vor meinem Blick schützt, dient mir als Rettungsanker um die Welt stabil zu halten. Jetzt versucht sie in tänzelnden Bewegungen hin und her meinem gierigen (? Stimmt das?) Blick auszuweichen, zumindest nicht fixiert zu werden. Ich entkrampfe meine linke Hand. Geradezu flehentlich schaut mich die frankophone Schweizerin an, sie doch endlich in Ruhe zu lassen. Große, langsame, magnetische Wellen beginnen mich wegzuschieben; ich verliere meinen lasergebündelten Blick. Mit Absicht schaue ich ganz woanders hin, in den Abgrund unter dem Seitenregal für die Tonträger, einfach um meinen Blick zu entschärfen. Doch am Lautsprecher des Radiogerätes dort warten die nackerten Weiber von Makart auf ihren Magnetbildchen. Ich aber halte meinen Blick weich und situationselastisch und lasse ihn weiterwandern. Ich seufze tief und erleichtert auf und hole wiederum tief Luft. Beim dritten Mal Luftholen geht es in entspanntes Gähnen über. Mein Zimmer ist wirklich eine abenteuerliche Landschaft. Jetzt gaffe ich auf die Farbkopien zweier eigener Bildchen und will im verheimlichten Farbenchaos Halt finden. Meine Seele scheint sich beruhigt zu haben. Auf zum Frühstück; die Nahrungszufuhr wird das System noch besser stabilisieren.

(14.8.2023)

Peter Alois Rumpf August 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

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