3098 Schattenwerfer
15:43. Im Augarten.
So ein warmer Tag! Nur Sakko über Hemd. Die Sonne links; ich dachte, das wäre
für einen (umgezwungenen) Rechtsschreiber passend. Aber die nieder stehende
Sonne macht auf der rechten Notizbuchseite, wo ich zu schreiben beginne,
Schatten: vom Bug der linken Notizbuchseiten, links vom Spalt in der Mitte des
Buches; so tief steht die Sonne. Ich schaue herum, ob auch Zwerge lange
Schatten werfen, aber ich sehe keine. Die linke Sonne blendet mich ein wenig,
aber das stört mich nicht. Viele Menschen suchen die Sonne (und ihre
Schatten?). Gerede, Geschrei, Kinderweinen, Kinderjubel, Räuspern, die
typischen knirschenden Geräusche fahrender Geräte auf Schotter. Vor mir, leicht
links und einigermaßen anständig entfernt: der runde Flakturm. Never again.
Alle Passanten haben Licht- und Schattenseiten; recht scharf und optisch
deutlich getrennt. Ein Mönchlein – na gut, er ist größer als ich – spaziert in
Begleitung und Gespräch. Ich kann mir nicht helfen: ich bekomme Sehnsucht nach
dem Nagual. Sie reden Spanisch, glaube ich. Die Sonne erreicht schon die
Spitzen der Bäume der linken Allee. Der mönchische Anfall ist vorbei: ich gaffe
wieder den Weibern auf den Arsch (oder gehört das eh dazu?). Mein Geschreibsel
ist schon zu dreiviertel im Schatten der linken Notizbuchblätter, obwohl ich in
der Sonne sitze. Viele Frisbees (was sind das für Bienen?) fliegen und tanzen
herum. Die kurzgeschnittenen Wiesen sind geradeschon angegrünt. Dafür bietet
der Schotter ein atemberaubendes Licht- und Schattenspiel, eines in weiß grün
blau. Und braun. Und rot (Ziegelbruch?). Ich hebe den Blick wieder in die
Horizontale. Die Kirchturmuhr von St. Leopold (auch so ein fragwürdiger
Heiliger) schlägt vier Uhr. Ich bin dem Turmuhrschlagen und dem Glockengeläut
freundlich gesonnen. Erst jetzt höre ich die Vögel zwitschern, bis jetzt habe
ich es nicht beachtet. Die Rinden der kahlen, beschnittenen Bäume schimmern
teilweise rötlich überzogen. Die Graphik der kahlen Äste gefällt mir sehr.
Einzelne Glasscherben glitzern aus dem Schotter. Und auch die Stücklein von
Zweigen, abgestorbene Grashalme können schön glitzern. Sowie die Baumrinden.
Mir kommt ständig vor, dass da jemand links von mir sitzt oder steht – ich
blicke unwillkürlich hin, aber da ist niemand. Die ganze Szenerie (Verzeihung!
Die Welt und das Leben sind mehr als Szenerie!) wird um ein paar Lux dunkler;
das Glitzern wird schwächer. Die Sonne senkt sich schon in den horizontalen
Dunst. Eine schwarze Krähe geht und hüpft herum und sucht Futter – nehme ich
an. Für stolzieren bewegt sie sich fast ein wenig zu aufgeregt. Die Wiese leert
sich jetzt von den Menschen. Das wenige, das jetzt noch glitzert glitzert
stark. Mehr als die Hälfte der Wiese liegt schon im Abendschatten. Die
sonnenbeleuchteten Stellen zeigen sich sehr hellgrün. Auch ich werde
aufbrechen. Wieder drehe ich plötzlich und unvermittelt den Kopf nach links.
Was immer meine Aufmerksamkeit anzupft: es befindet sich links neben mir, nicht
links hinter mir.
Ich bin auf dem Weg heim. Die hingebreiteten Flächen
beginnen ein wenig traurig zu wirken.
Spatzen, die unter dem Spalt zwischen der Mauer und dem sie
bedeckenden Holzdach nisten, machen ein unglaublich lautes, aufgeregtes
Geschrei; viel lauter als das der Kinder.
Viele verschiedene Sprachen sind zu hören – das ist so schön
an einer Stadt. Oberösterreichisch war auch dabei. Der runde Flakturm ist jetzt
in zwei Wiesen Entfernung genau vor mir. Ich gehe wieder weiter.
(22.02.2023)
©Peter Alois
Rumpf Februar 2023 peteraloisrumpf@gmail.com
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