Montag, 10. Oktober 2022

2922 Braver Bub

 

Diese vielen, vielen gelben, braunen Blätter, die von den Bäumen fliegen, schweben, fallen, auf dem Asphalt und den Wiesen liegen, vom Wind bewegt und verweht werden – was für eine melancholische Schönheit. Das Absterben als bescheiden feierliches Drama. Menschen gehen so darüber, hindurch, schweigen, reden, eilen, schlendern, anwesend, abwesend, in Wichtigkeit, in Verlorenheit und alles dazwischen. Die Sonne kommt gefiltert durch die dünne Wolkenschicht und gibt dem Abschied eine unwirkliche (?) Euphorie. Kein Mensch ist illegal, kein Baum, kein Kraut, kein Minirock. Selbst die Augen hinter Sonnenbrillen verstecken ist legal. Was an der Grenze der Legalität ist, ist wie ich die Menschen angaffe, um irgendwas herauszufinden (die verwelkten Blätter – so glaube ich – werden vom Gesetz nicht vorm Angaffen geschützt). Von Zeit zu Zeit tippe ich auf die Tastatur meines Handys, das links neben mir auf der Bank liegt, um die Zeit abzulesen, auf dass ich zum Therapietermin nicht zu spät komme. Ich bin ja ein braver Bub – obwohl „brav“ eigentlich tapfer heißt - der sein Glück versucht.

 

(10.10.2022)

©Peter Alois Rumpf  Oktober 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

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