2871 La Grande Dame
La Grande Dame. Und der Wind, der die Blätter treibt und die
Zweige schaukelt. Und rauscht. So stark, dass er das fröhliche Geschrei vom
Spielplatz kräftig unterlegt und trägt. Im Campingstuhl unter der alten,
riesigen Platane, die La Grande Dame heißen soll. Plötzlich ist der Wind aus
und still. Das Geschrei wird markanter. Das Rauschen übernimmt – aber
gottseidank viel zu weit weg – der Straßenverkehr. Eine ganz leichte Brise
umspielt meine nackten Fesseln („ein Gegenstand, mit dem jemand gefesselt wird,
oder: der Übergang von der Wade zur Knöchelregion beim Menschen“ Wikipedia. Ich
finde: sehr gut formuliert!) und schiebt verstohlen ein paar Blätter zurück Richtung
Osten. Die Platane und ihre Krone, ihr weitverzweigtes und von Bändern
gestütztes Geäst, sind breathtaking (mir ist lieber, sie nehmen meinen Atem wie
ein Geschenk und rauben ihn mir nicht). Da oben am Wipfel, da muß die Freiheit
grenzenlos sein. Ich wollte aber nie hoch hinaus. Das Blätterrauschen kommt
wieder auf. Und die windbetriebenen Versuche, mir in meinem Notizbuch
umzublättern. „Eine wehende Reinheit wiegt die Bäume“ schreibt Juan Ramon
Jimenez, mein geliebtester Dichter, in Hora Immensa. Aber hier: der Wind ist
nicht ganz unverdorben. Ich kann es selbst nicht glauben, dass es so ist.
Vielleicht ist es nicht der Wind, sondern die Luft, die nicht rein ist, und der
Wind versucht sie wegzublasen. Vielleicht bin ich einfach zu tief
herunten: physisch, psychisch oder metaphorisch. Oder es sind die vielen
kranken Bäume hier. Oder es ist der alte Sommer, der schon müde ist (auf seine
Art auch schön). Ich müßte pinkeln. Mein rechtes, überschlagenes Bein (warum
eigentlich „schlagen“?) ist eingeschlafen. Geh ich jetzt? Aber ich bin ein
Meister im Rauszögern.
(3./5.9.2022)
©Peter
Alois Rumpf September 2022 peteraloisrumpf@gmail.com
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