Freitag, 11. Februar 2022

2587 Der Tanz meines Lebens

 

Meine frankophone Schweizerin da in meinem Bücherregal wird durchaus fester und robuster – für sie ist das gut, für mich als Voyeur ...? Ich kann es jetzt wirklich sehen, wie der Hut nach ihr greift. Selbstmitleid über meine einsame Angezogenheit. Dabei muß ich selbst lachen über meine Unverfrorenheit. Ich weiß ja gar nicht, was mir wirklich abgeht. In Mali Lošinj macht die Hafenstraße mit dem Meer bei den Gezeiten mit. In Veli Lošinj ist das Trumm nur mehr ein Schatten, seiner selbst oder des Krangestänges (wenn das nicht eine Brücke ist zwischen Himmel und Erde – oder doch diagonal). Die frankophone Schweizerin wird immer fetter und fetter – mir gefällt's weniger – sie kommt mir im Normalzustand eh gut gepolstert und bestückt vor – aber gut für sie. Auf dem kleineren Bildchen ist sie für ein paar Sekunden zu Picasso gewechselt. Als ich die schöne Nackte vom Modigliani anschaue, schauderts mich am ganzen Körper. Dabei habe ich gar nicht richtig hingeschaut. Offen bleibt, ob aus Schrecken – die Dame ist schon längst vermodert – oder aus Erregung. Was signalisieren mir die zwei Visionäre? Ein bißerl ein eingefrorenes Grinsen. Was ist los? Rennt da hinter meinem Rücken irgendein Schmäh? Schmähungen hatte ich schon mehr als genug in meinem Leben. „Mein kleines Teuferl“ sage ich zur Katze, und sofort bekommt sie eine Fratze. Von überall geht es los! Aber harmlos! Mein Gott, wie harmlos! Die Schweizerin können's deformieren und verkneten und ihr das Fett einkneten, wie sie wollen, ihr Unterleiberl über ihrem nackten Leib läßt sie nicht fallen. Tapfer! Am Rande der Übelkeit blödel ich am Rande des Vulkans dahin. Dezibelgedämpft, aber doch lasse ich John Frusciante auf uns einspielen (uns, das sind ich, die Katze und das Universum). Enclosure. „Messanger“ höre ich (oder bin ich nur zu faul, die CD zu wechseln?) (oh nein! Gut getan, so intensiv habe ich sie noch nie gehört!). Liebliches Glockenspiel bringt schon viel. Und die Vershatterung verstört's (? lese ich meine Handschrift noch richtig?). Er tupft schon ordentlich rein, der gute Johnny! Mein Notizbuch wölbt sich gegen mich, vermutlich in der Anstrengung, meine fahriger und fahriger werdende Schrift zu lesen. Die Katze starrt mich mit von Entsetzen gezeichnetem Blick an: „jetzt ist er wirklich übergeschnappt!“ Singen hört sie mich ja auch selten. Erst recht, wenn ich Johnnies „I love You“ mitsinge. Aber liebe Katze, jetzt lasse ich mich auch von dir nicht zurückhalten. Das haltst schon aus! Alles ist gut, Katzerl, alles ist gut. Heute singe ich mit, dass sich die Steine und der Fliesenboden im Bad erweichen und zu wellen anfangen. Ich befreie die pseud'ägyptische Tonscherbe vom Frauenberg bei Seggauberg bei Leibnitz/Libnica, die als Amulett vom kleineren Bücherregal herabhängt, aus der Verwicklung mit dem Leselampengestell. Ich trete ans Musikzimmerfenster und versuche mit magischen Handbewegungen die Fassaden gegenüber niederzureißen: ich will euch ins Leben schauen, mitten ins Leben! Wie schafft ihr das? Ich will es verstehen! Ich will sehen, was wirklich dahinter ist. Ich falle sonst immer drauf rein. Ein paar Schluck Kräutertee wird mir gut tun. Done. Tut es. Schauder über Schauder über den Rücken. Ich lese auf dem ausgelesen abgelegten Buch „Cesare Pavese“ und mir kommen die Tränen. Nicht. Dann doch nicht. Gut dann jetzt. Hoffentlich kann ich das morgen noch lesen! Der gute Johnny führt mich mit so weicher, unaufdringlicher und virtuoser Souveränität durch den Dschungel. Dschungal. Dabei überspielt er nichts, vergißt nichts. Gar nichts. Er ist auch nackt und bloß. Tschesare! Peter, rühm Korfu! Zwischen lachen und weinen werde ich langsam müde. Die Katze verteidigt ihren Schlafplatz auf meinem Bett, wo ich mich gerne hinlegte. Dass ich zu wach bin ist mir wurscht. Hört! Ihr! Wurscht! Alles mache ich freiwillig. Auch wie ich mich jetzt von seinen schnellen Solis herumjagen lasse. Jetzt stürzt die Musik ein. Vorläufig. Und kommt wieder woanders hervor. Das neue Bacherl gewinnt an Festigkeit und Rhythmus. Ah! Ein paar Hiebe dem B.A.A. in die Goschn! Aber muß nicht sein. Ich tanze auch so. Langsam klatsche ich mir meinen Rhythmus in den ausklingenden Frusciante hinein. Tausende Vesuvglitzer im glitzernden Vesuvstein am Regal. Das Gedicht von Peter Rühmkorf: ich halte es vor unverlogener Schönheit kaum aus! Und immer noch der Fruscianten-John! Jetzt ist er aus. Jetzt ist es aus. Einstürzende Altbauten. Jetzt geh i a scho aufn Siebzger zua, und bin oiwei no da Hoitabua. Und die Stille, die mir in den Ohren dröhnt. Dröhnt. Dröhnt, legt sich sanft zur Ruhe, fährt alles herunter (unglaublich, was da für Systeme hochgefahren waren); ich komme mit dem Schnaufen nicht nach. Fast hört es sich an, als tät ich weinen, Aber ich weine nicht! Ein Bub weint nicht! Lieber würge ich mir den Hals ab. Ach komm schon! Leg dich nieder! Geh liegen! Nein, ich erhebe mich wieder feierlich. Im Pathos der ausgeschalteten Tonträger! Ich, der ich – jetzt! Aber nur jetzt – mit allen Tölpeln und Titanen zu ringen mir anmaße. Mir! An! Maße! Das Maß ist voll! Maßvoll. Ist schon die Luft draußen? Oder kommt noch was? Ich mag nicht mehr schreiben.

Die Melodien und Tonfetzen, die in meinem inneren Gewölbe als, als Nachklang noch herumgeistern, walze ich im Dreivierteltakt aus. Oaah! Was für ein Schauder über meinen Rücken! Tod, bist du es? Bist du es, der da ganz nah heran gekommen ist? Die Stille wird nochmals stiller. Immer mehr fällt auseinander oder zusammen, wie es die Kräfte so wollen. Die Jahrtausende-Gewölbe stürzen, stürzen, stürzen. Immer tiefer, immer höher. Ich klimpere schüchtern auf der Ukulele. Beruhigt sofort meine Seele, oder was das da immer ist. Oh wie mir mein Geklimper gut tut! Dieser weite Raum zwischen und in den Tönen. Ich muß mich zwingen, das Schreiben zu beenden. Ich muß aufhören! Wenn ich jetzt nicht aufhöre, werde ich in alle Ewigkeit ununterbrochen weiterschreiben müssen, dabei verhungern bis ich sterbe und dann noch weiter und weiter.

Hört nicht auf mich! Ich will doch auch nur zerfließen!

 

(10./11.2.2022)

©Peter Alois Rumpf  Februar 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]

<< Startseite