2584 Ganz leicht
12:20. Ich habe mich im Bett aufgesetzt und lasse so die
Traumbilder und Traumgefühle an mir abrinnen; versuche, die Döserei mit Ihren
Gedankenfluten los zu werden (meine schlafende Katze hört sofort, wie ich mich
im Bett aufrichte und kommt von ihrem Schlafplatz auf meinem Schreibtisch her
und will gestreichelt werden). Im Dösen vorher, zwischen Traum und
Wirklichkeit, habe ich zum millionsten Mal die Affenarsch-Beratung in München
im Geiste korrigiert, habe dem Döbereiner anders geantwortet, habe genauer
nachgefragt, habe klar und deutlich ausgesprochen, was mir aufgefallen ist und
was mir unzutreffend erscheint, habe seinen Ekel vor mir und meiner Erscheinung
tapfer und rücksichtslos angesprochen, habe
deswegen seine falschen, verlogenen Vergleiche mit sich selbst
zurückgewiesen und nicht zugelassen, dass er mich so einfach und arrogant
abschasselt. Vermutlich kann ich so meinen wirklichen Lebenslauf nicht korrigieren
(es fehlt die energetische Wiederherstellung), aber mir ist es zu wichtig,
diesen verfluchten Vorgang zu begreifen, als dass ich dieses Sinnieren und
Korrigieren bleiben lassen könnte. (Meine Katze schnurrt obwohl ich sie nur so
nebenbei und ohne echte Zuwendung streichle, und das nur von Zeit zu Zeit;
meine Aufmerksamkeit ist woanders gefangen.) Der Münchner Affenarsch ist mehr
der Hundetyp: herumbrüllen und das für authentisch halten. Es wird schon viel
Blödsinn auf Hunde und Tiere überhaupt projiziert. Und während ich die Katze
streichle geht mein döbranitischer Kampf weiter: ich erkläre dem ungebildeten
„Genie, wie es nur alle zweitausend Jahre gibt“ (Eigendefinition Döbereiner; ob
ich sie für richtig oder falsch halte, lasse ich offen; denn das gibt es schon,
dass zB Aristoteles für unser Denken und wie wir die Welt sehen auch heute noch
eine Rolle spielt), dass er seine bajuwarischen Selbstverständlichkeiten trotz
der sprachlichen, regional mehr oder weniger Verwandtschaft nicht eins zu eins
auf Österreich übertragen darf, weil wir hier eine völlig andere Geschichte als
Bayern haben (und er überschätzt hier sogar als selbsternannter Katholik wie
die Lutheraner die Sprache als angeblich entscheidende Schichte unter der für
ihn gar nicht so typischen Ignorierung der tieferen und untergründigeren
Strömungen. Ich erkläre das dem Ignoranten an Hand der Grenzen der slawischen
Besiedlung in Österreich, von der er keine Ahnung hat. So kann ich zumindest im
Geiste seiner geistig-seelischen Vergewaltigung widerstehen und meiner selbst
wieder Herr werden. Aber an meinem gescheiterten Leben - vornehmlich auf meine
Berufung bezogen – ändert das nichts mehr. Es wird das nicht mehr sein, als
dass ich an meinem zertrümmerten Selbstbild sinnlos herumbastle. Aber hoffentlich
wenigstens das (freilich bedeutet es die wahre Freiheit, wenn man auf ein
Selbstbild verzichten kann, aber nur dann, wenn vorher der eigene wahre Kern
erweckt ist: Ist das nicht der Fall, zerbricht man und kann daran sterben, wie
es mir ja beinah passiert ist).
So! Jetzt habe ich mich wieder gründlich verrannt, wie mir
das mehrmals täglich passiert. Dafür geht fast meine gesamte verbliebene
Lebensenergie drauf, so viel, dass ich kaum noch Kraft fürs Aufstehen habe –
wozu auch? In der Welt draußen habe ich ausgespielt! - und so muß ich
stundenlang um dieses sinnlose Aufstehen kämpfen.
Und dennoch meinen es die Götter gut mit mir: sie scheinen
mich sogar zu trösten: gerade habe ich die Gedichte Peter Rühmkorfs für mich
entdeckt: zufällig hatte ich vor ein paar Wochen irgendwo das Büchlein
aufgeklaubt: und nach langem Herumliegen auf meinem ungelesenen Bücherstapel
neben dem Bett genau jetzt darauf zugegriffen: der Name war mir als alter
WG-konkret-Leser (danke Rudi Willgruber!) natürlich längst geläufig: aber
gelesen hatte ich ihn nie: und jetzt: wie für mich geschrieben: die ersten zwei
Gedichte: wie mir aus der wunden, verletzten, einsamen Seele gesprochen! Jetzt
kann ich aufstehen! Ganz leicht!
(8.2.2022)
©Peter Alois Rumpf Februar 2022
peteraloisrumpf@gmail.com
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