2580 Die Farbe
Die Müllabfuhr werkt laut und unüberhörbar an diesem
ungewöhnlichen Morgen, an dem mich Frau Katz gar nicht aufgeweckt hat. Es ist
die Farbe der Tinte des Pilotschreibers, die mich irritiert und meine
Aufmerksamkeit gefangen nimmt und meinen Schreibfluß bremst. Das Schriftbild
wirkt farblich zu glatt, zu geschleckt, nach antileidenschaftlicher,
downcoolender Unterwäschefirma. Das ist nicht meine Welt! Ich könnte einfach
den Stift wechseln, aber ich registriere mit Erstaunen, dass mir von meinem
größer werdenden Schriftbild übler und übler wird. Was ist los? Ich weiche in
die Sprache aus: was hat „übel“ mit „üblich“ zu tun? Wenn ich wüßte, wie diese
Farbe exakt heißt, würde ich es herschreiben; es ist eine Art bläulicheres
Türkis und diesmal hat es nichts mit Politik zu tun. Die richtige Farbe Türkis
mag ich als Farbe normalerweise; die da ist doch anders. Oder hat sich meine
Farbwahrnehmung und deren seelische Interpretation geändert? Oder spinne ich
jetzt komplett? Die Übelkeit ist schon recht körperlich. Ist alles ausgelöst
vom ersten Gedanken, der mir nach dem Aufwachen gekommen ist, dass nämlich die
Katze todkrank sei, weil sie mich gegen alle ihre Gewohnheit nicht aufgeweckt
hat? Bin ich damit auch an die eigene Sterblichkeit erinnert? Und das nicht
bloß intellektuell? Sozusagen der Hauch des Todes im Raum? Ich nehme drei
Schluck Wasser und öffne das Fenster.
Ich habe nachrecherchiert: das, was ich meistens
Kugelschreiber genannt habe, ist ein Pilot Gelschreiber, und die Farbe dürfte,
wenn ich jetzt nicht ganz schaasaugert bin, metallic blue sein. Diese Info
scheint für mein Empfinden nicht viel zu ändern; eher ist es die frische Luft
aus dem offenen Fenster, die mir etwas Erleichterung verschafft. Die Farbe ist
mir noch immer nicht geheuer und löst immer noch Übelkeit aus. Wird mein Tod in
metallic blue erscheinen? Als ebenso lackiertes Auto, das mich niederfährt,
oder in einem so gefärbten Arztkittel? Mehr fällt mir zu der Farbe nicht ein,
nur dass metallic auch etwas Milchiges hat.
(2.2.2022)
©Peter Alois Rumpf Februar 2022
peteraloisrumpf@gmail.com
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