Donnerstag, 10. Februar 2022

2586 Der Hut der Schweizerin

 

In Mali Lošinj türmt sich die Hafenstraße wie von einem stillen Erdbeben angetaucht übereinander. Je länger ich hinschaue, desto schwächer wird die Kraft der Plattentektonik. Bei Rettenschoess liegen die Felder und Wiesen flach; nichts ungewöhnliches, aber es fällt mir heute auf. In Veli Lošinj schwimmt auf der weißen, kosmischen Lava irgend ein dunkles, schwarzes Trumm daher. Die Katze mit ihrem – vermutlich – Zärtlichkeitswahn läßt mich kaum schreiben. 13:07 ist es und ich bin vorhin erst aufgewacht. Meine frankophone Schweizerin ist seit langem wieder einmal sehr deutlich geworden; Gottseidank nicht ihr depperter Hut, den ihr der Maler verpasst hat.

Inzwischen bin ich aufgestanden gewesen und habe mich rasiert, und mit meinem neuen Gesicht die Bücherwand betrachtet stelle ich fest: die tektonische Stauchung in Mali Lošinj ist noch schwächer geworden und der schwarze Klotz in Veli Lošinj gräulicher, weicher. Rettenschoess und Schweizerin bleiben vorerst unverändert. Nein! In Rettenschoess tritt rechts oben im Bild ein auflösender Nebel ein. Und der Hut der Schweizerin ist zu einem krallenförmigen Ding mutiert, ein Riesending, das nach dem Kopf der armen Frau greift. Fast könnte es ein Volador sein, der ihr Bewußtsein frißt. Tatsächlich meine ich etwas wie einen Hilferuf aus ihrer leicht vorgebeugten Haltung und in ihrem Gesicht ablesen zu können. Mali Lošinj ist plötzlich viel klarer und lichter, wie nach einem befreienden Schub, der durch das Bild gelaufen ist.

Ich selber bewege mich kaum und lauere, was da erscheinen will.

 

(10.2.2022)

©Peter Alois Rumpf  Februar 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

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