1980 Mein Luxusproblem
Heute habe ich so lange im Bett gedöst, daß ich in die
Kaffeemaschinenverbotszeit geraten bin (Frau Königin hier hat wegen des
Mittagsschlafes ihrer Tageskinder schriftlich ein Verbot erlassen, die laute
Kaffeemaschine zwischen 13h und 14:30 zu benützen. Ein Verbot, an das ich mich
sowieso aus eigener Einsicht gehalten hatte. Sei's drum!). Jetzt bin ich
ratlos, ob ich gleich weiter im Bett verbleiben soll oder doch aufstehen und
ohne Kaffee frühstücken.
Was für ein Luxusproblem, gell!?! Viele Millionen, nein
Milliarden Menschen auf der Welt werden mich um dieses Problem beneiden.
Lustigerweise verdanke ich mein Luxusproblem meinem sozialen
Abseits: nachdem ich finanziell und damit gesellschaftlich kaum noch
Handlungsspielraum habe – Referenzrahmen mitteleuropäischer Durchschnitt – habe
ich mir angewöhnt, mein Zimmer kaum zu verlassen.
Und mein Abseits ist nicht nur finanziell, nicht einmal in
erster Linie: es geht auch um gesellschaftliche Vernetzung aus Beruf und
Ansehen und um den Austausch mit der Welt: kein Ehrenamt, kein Interviewtermin
als Künstler, kein Treffen mit pensionierten Kollegen, keine Bitte um einen
Artikel zu XY, keine Festschrift zum XY-Geburtstag, keine Interviewanfrage als
bekannter konsevativer oder kritischer oder progressiver oder abgesprungener
oder schräger Theologe – alles zu Recht nicht – keine sonstige Anfrage als was
auch immer (und bekäme ich eine heute hier und jetzt – ich würde ziemlich
sicher vor lauter Angst und Selbstzweifel absagen), keine Auftritte, keine
Einladungen, keine Ausflüge, keine Reisen, keine Fahrt zum Feriendomizil am
Land …
Damit das klar ist: ich habe meinen reduzierten Radius
akzeptiert und bin glücklich in meinem Zimmer mit meinem Luxusproblem. Wirklich
glücklich – ich muß mir das nicht einreden: schreiben, lesen, laptoppen, Musik
hören, sinnieren … ab und zu ein Einkauf oder eine Erledigung, Besuche in
unserer Wohnung, für die ich mein Zimmer verlasse und hinuntergehe … ich liebe
mein Ausgedinge (ich fühle mich ein bißchen wie ein Mönch in der Stabilitas
Loci – was meinen Aktionsradius betrifft, nicht, was meine Schlaf- und
Genußgewohnheiten betrifft). Aggressiv werde ich nur, wenn ich fürchte, dass
dieser Ort für mich in Frage gestellt wird – dann bekomme ich so richtig
Existenzangst.
(9.9.2020)
©Peter Alois
Rumpf September 2020 peteraloisrumpf@gmail.com
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