Mittwoch, 9. September 2020

1980 Mein Luxusproblem

 

Heute habe ich so lange im Bett gedöst, daß ich in die Kaffeemaschinenverbotszeit geraten bin (Frau Königin hier hat wegen des Mittagsschlafes ihrer Tageskinder schriftlich ein Verbot erlassen, die laute Kaffeemaschine zwischen 13h und 14:30 zu benützen. Ein Verbot, an das ich mich sowieso aus eigener Einsicht gehalten hatte. Sei's drum!). Jetzt bin ich ratlos, ob ich gleich weiter im Bett verbleiben soll oder doch aufstehen und ohne Kaffee frühstücken.

Was für ein Luxusproblem, gell!?! Viele Millionen, nein Milliarden Menschen auf der Welt werden mich um dieses Problem beneiden.

Lustigerweise verdanke ich mein Luxusproblem meinem sozialen Abseits: nachdem ich finanziell und damit gesellschaftlich kaum noch Handlungsspielraum habe – Referenzrahmen mitteleuropäischer Durchschnitt – habe ich mir angewöhnt, mein Zimmer kaum zu verlassen.

Und mein Abseits ist nicht nur finanziell, nicht einmal in erster Linie: es geht auch um gesellschaftliche Vernetzung aus Beruf und Ansehen und um den Austausch mit der Welt: kein Ehrenamt, kein Interviewtermin als Künstler, kein Treffen mit pensionierten Kollegen, keine Bitte um einen Artikel zu XY, keine Festschrift zum XY-Geburtstag, keine Interviewanfrage als bekannter konsevativer oder kritischer oder progressiver oder abgesprungener oder schräger Theologe – alles zu Recht nicht – keine sonstige Anfrage als was auch immer (und bekäme ich eine heute hier und jetzt – ich würde ziemlich sicher vor lauter Angst und Selbstzweifel absagen), keine Auftritte, keine Einladungen, keine Ausflüge, keine Reisen, keine Fahrt zum Feriendomizil am Land …

Damit das klar ist: ich habe meinen reduzierten Radius akzeptiert und bin glücklich in meinem Zimmer mit meinem Luxusproblem. Wirklich glücklich – ich muß mir das nicht einreden: schreiben, lesen, laptoppen, Musik hören, sinnieren … ab und zu ein Einkauf oder eine Erledigung, Besuche in unserer Wohnung, für die ich mein Zimmer verlasse und hinuntergehe … ich liebe mein Ausgedinge (ich fühle mich ein bißchen wie ein Mönch in der Stabilitas Loci – was meinen Aktionsradius betrifft, nicht, was meine Schlaf- und Genußgewohnheiten betrifft). Aggressiv werde ich nur, wenn ich fürchte, dass dieser Ort für mich in Frage gestellt wird – dann bekomme ich so richtig Existenzangst.

 

 

 

 

 

 

 

(9.9.2020)

 

 

 

 

 

 

 

 

©Peter Alois Rumpf   September 2020   peteraloisrumpf@gmail.com

 

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