Freitag, 28. Februar 2020

1781 Nicht Größenwahn


Ich geh in die Albertina - heute als erstes in die Richter-Warhol-Abteilung - setze mich wenn möglich auf einen meiner Lieblingsplätze - heute bei den drei Frauen vom Trio 4 (A. Katz) - und zwar gehe ich zielstrebig hin, nicht wie jemand, der zum Flanieren kommt oder ein Erstbesucher, der sich erst orientieren muß, nein, zielstrebig, ich weiß ja, was ich will (zumindest so ungefähr), lege auf die erste freie Lieblingsbank mein liebes Albertinatäschchen (für Notizbuch, Kugelschreiber, Brille etc.; ein wirklich schön gemachtes Geburtstagsgeschenk meiner lieben Frau), zieh meine chinesische Jacke aus, lege auch sie hin, ziehe dann meinen kürbisorangen Pullover (ebenfalls …) aus, nachdem ich vorher die musikalischen Ohrenstöpsel heraus genommen und alles hingelegt habe, und dann – unter Herausnahme meiner Lesebrille, weil ich ansonsten nicht lesen kann, welcher Stöpsel für links, welcher für rechts zuständig ist – installiere ich diese meine Musikanlage neu, ziehe die Jacke wieder an, nehme Notizbuch und Stift aus dem Albertinasackerl, setze mich nun hin, schlage beim eingelegten roten Bändchen auf und schaue erst jetzt auf das Bild. Ein photographierender Besucher jedoch lenkt mich ab, indem er sich vor mich stellt, ich komme dadurch auf die selbe Idee, hole mein liebes, mickriges Handy (ich verabscheue die Wischerei – ich drücke noch Knöpfe) aus meiner Jackentasche und photographiere ebenfalls –  eine Tätigkeit, die ich für hier beim vorletzten Besuch noch verachtet habe, und stelle erwartungsgemäß fest: dieses Photo kann das innere Leuchten der drei Frauen nicht wirklich wiedergeben. So, jetzt schaue ich aufs Bild. Im Ohr Dissolve von John Frusciante, dann gehe ich weiter zur „psychodelischen Ecke“.

Beim Aufstehen merke ich, daß mich ein Wächter genau beobachtet. Mein Gott! Ich würde ja hingehen und mich erklären: „ich komme mindestens ein Mal die Woche her, ich nutze die Besuche hier zum Schreiben (vielleicht bringe ich sogar den Satz „ich bin nämlich ein Schriftsteller“ über die Lippen), ich weiß meistens, wo ich mich hinsetzen will. So gehe ich recht zielgerichtet auf meine Lieblingsplätze, aber um dort zu verweilen, nicht um etwas zu attackieren. Schauen Sie (hier zeige ich meine Tasche und ihren Inhalt): Notizbuch, Brille, Jahreskarte, Ausweis, viele verschiedenfarbige Kugelschreiber (und gebe ihm/ihr/ihnen meine Schublade-Visitenkarte).“ Vielleicht könnte ich mich bezüglich der verschiedenfarbigen Stifte auch auf Doderer, Heimito von, berufen, aber ich fürchte, mich dabei in einen Wirbel hineinzureden, der mich erst recht verdächtig macht. Aber so kann es auch nicht weitergehen, daß ich hier immer ein schlechtes Gewissen gegenüber der Aufsicht habe, weil ich sie irritieren könnte! Ich würde ihnen gern entgegenkommen, um ihnen keine Stress zu machen und mir kein Schuldgefühl.
Mir ist zum Heulen und ich verstehe, warum ich kaum noch mein Zimmer verlassen will. Aber das geht nicht! Es geht nicht, daß ich mich so unwürdig fühle, daß ich mich entschuldigen zu müssen glaube, den öffentlichen Raum zu benützen. Es geht einfach um mein Recht zu leben und da zu sein! (das mir weder Albert noch Tina, sondern meine in meiner Seele abgelegten und einprogrammierten Urteile absprechen.)

Als ich mich meiner „psychodelischen Ecke“ nähere, stehen die Leute dort von der Bank auf. Aber nicht wegen mir! Ich bin nicht paranoid! Ich sehe das mit der Aufsicht realistisch und richtig.
So! Jetzt kann ich die Bilder anschauen (Katharina Grosse, Liliane Tomasko, Oehlein); ja und der Richter sticht sozusagen von beiden Seiten her. (John Frusciante, Will to Death).
Ich schaue kaum noch auf die anderen Besucher.

Ich könnte mich zwischendurch zum Schreiben in einen der Gänge setzen, dort ist es wohl weniger heikel.
Nein, ich muß es aushalten, in der Welt zu sein, auch wenn ich mit meiner Existenz und mit meinem Verhalten andere irritieren könnte – sonst komme ich endgültig in des Teufels Küche.

Die psychodelische Ecke. Ich liebe diese Bescheidenheit in den Bildern hier. Ja, ja! Bescheidenheit! Nicht Größenwahn.

Eine Frau mit Kinderwagen und ganz kleinem Baby – es kann nur ein paar Tage alt sein – kommt herein. Sie setzt sich auch auf „meine“ Bank, weil das Baby unruhig geworden ist, um es zu beruhigen. Was für eine schöne, starke Geste des Universums! Danke, ich bin am richtigen Weg. Segen für Dich, kleines Kind, deine Eltern und Familie. Liebes Baby, sei gegrüßet und willkommen in dieser Welt. (Auch) Du bist die große Chance für diese Welt; (auch) in dir wird die Welt neu! Ich verneige mich. Gold habe ich nicht, Myrrhe glaube ich auch nicht, Weihrauch habe ich keinen bei mir, sondern zu Hause. Trommeln kann ich auch nicht (nur mein Bruder!) So kritzel ich halt ein paar Worte für Dich her. Amen. (Singen tut Ximena Sariñana mit der Omar-Rodriguez-Lopez-Group eines meiner liebsten Andachtslieder.)

Richters abstraktes Bild von 2016 habe ich mir heute mit meiner Lesebrille auf ganz nah angeschaut und es hat Whow! gemacht! Eingefahren wie ein Trip (obwohl ich gar nicht weiß, wie ein Trip einfährt).

Ich setze mich zu Scheibls Glühen nieder und lasse mich bestrahlen und habe in mein Albertinatascherl ein paar Visitenkarten gesteckt, um eine vielleicht doch der Aufsicht zu geben – als Entgegenkommen. Bin gespannt, ob ich mich trauen werde (nein, ich traute mich nicht).

Die Sammlung Hahnlos, die ich bisher übersehen habe und die völlig überlaufen ist, hat mich komplett irritiert; ob mehr wegen der Tatsache, daß ich diese Abteilung, auch als Räumlichkeiten, total übersehen habe, oder wegen der Fülle der Bilder hier. Ich bin in meinem Schock nur schnell durchgegangen und werde sie mir bei einem eigenen albertinischen Ausflug vornehmen – denn es werden tolle Bilder gezeigt.
Ich zittere noch nach dem Schock und schon vor Unterzuckerung.

Ich raste vor der Werefkin und werde die geliebte Batliner-Sammlung nur mehr durcheilen.








(27.2.2020)










©Peter Alois Rumpf,  Februar 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

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