1633 Ich Pharisäer
Ich bin ein Schriftgelehrter und Pharisäer (beinah hätte ich
in meiner ständigen Legasthenie Phrasiäer geschrieben), aber obwohl man uns
Gesetzeszwänglerei und Verbotsübertretungspitzlerei vorwirft, hindert mich das
nicht daran, mich zu freuen, wenn die professionelle Yoga- und Pitzl … äh …
Piklermeisterin hinter der Ecke hervorlugend mir zuzwinkert und zugrimassiert,
um mich darauf aufmerksam zu machen, daß ich ja nicht zu viel mit den Tagis
kommunizieren soll, die doch – denke ich – keine Waisen und Heimkinder sind,
sondern mit ihren familiären Bezugspersonen und in ihren Beziehungsstabilitäten
leben, so daß sie schon einen von Zeit zu Zeit auftauchenden Idioten wie mich
(„Idiot“ ist vom Inneren Seher bestätigt; Text Nummer 64 hier in der Schublade)
aushalten können (gut, warum sollten sie?) und ich deshalb auf die warnenden
Botschaften der bewegten Professionistenmaske innerlich lachend pfeife. Dideldi
dideldum düreli dirilum.
Ich freu mich aber auch, weil mir heute schon zu Mittag der
dritte Text zu gelingen scheint und ich darnach auf jeden Fall frei haben werde
(frei nach Ernst Jünger: zwei Stunden Schreibarbeit am Tag sind reichlich
genug. Und: keine Spekulationen über reich-lich und Reich!). Was für ein
herrliches Leben!
Zwar versuche ich, zur Zeit der Tageskinder mich nicht in
der Küche oder überhaupt unten aufzuhalten, aber immer geht das nicht, weil ich
nicht der einzige potentielle und weitere Küchenbenützer bin und deswegen doch
auf die außer Haus Berufstätige in meiner Küchenzeitgestaltung Rücksicht nehmen
will, aber was soll schon dran sein, wenn mich das eine Mädchen auf ihr neues
Kleid aufmerksam macht und ein anderes mir lachend und kichernd über das die
Küche abtrennende Gittertürl hinweg ein Kusshändchen zuwirft und ein Bub mit mir
wortlos – so richtig von Mann zu Mann – abklatscht? So ist doch das fröhliche
Leben!
Und wenn ich mit meiner Frühstückerei inklusive der
morgendlichen Einnahme des mir verordneten Antidepressivums fertig bin, hau ich
sowieso wieder nach oben in meinen Kellion ab und überlasse unsere Tagis ihrer
schönen Ruhe oder Aufregung und ihrer professionellen Betreuerin und störe sie
alle nicht mehr.
Ehrlich: Würden Sie jemandem ihr neues Kleid zeigen oder ein
Küsschen zuwerfen oder mit dieser Person so a la fröhlicher Musikgang
abklatschen, wenn Sie sich von ihr gestört oder belästigt fühlten?
(4.12.2019)
©Peter Alois Rumpf,
Dezember 2019
peteraloisrumpf@gmail.com
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