Mittwoch, 4. Dezember 2019

1632 Ficken


Ist das Reif auf dem Blech des Vordaches?
Ja, ist es!

Während die niedere Sonne von links ins Baumgeäst und auf die kompatiblen Partien der Dächer und Rauchfänge scheint, konkurriert mein hauseigenes Surren gegen das des soeben angemachten Standcomputers, mit dem vorübergehenden wimmernden Heulen des Passierstabes unten in der Küche, dem anhebenden Schnurren der Katze, die mir zuerst auf den Schoß gesprungen ist, aber nach einem milden Hustenanfall meinerseits wieder abgesprungen ist. Jetzt zieht sie den Heizkörper beim großen Atelierfenster meinem Schoßplatz vor, was für mich zum Schreiben leichter ist.

Daß ich den Computer schon angeworfen habe, bevor ich überhaupt eine Zeile Text ins Notizbuch notiert habe, zeugt von einem ungewöhnlichen Handlungsoptimismus und einer außerordentlichen Erfolgssicherheit, zumindest im Bereich meines seelischen Hintergrundrauschens, denn ich muß auch gestehen, daß ich beim Einschalten vergessen hatte, noch gar keinen Morgentext geschrieben zu haben.

Das Wort „anwerfen“ bringt mich auf die Idee, von meinem Schreibstuhl an der Rückwand des Ateliers aus ein paar Blicke auf den Computer zu werfen, der sich rechts in zwei, drei Meter Entfernung im rechten Winkel zu mir befindet, sodaß mein Blick auf den Bildschirm äußerst schräg bleibt und zu meinem Erstaunen „arbeitet“ die Bildfläche, obwohl noch kein Internet aufgerufen ist: kleine Dinger poppen auf und verschwinden wieder. „Erstaunen“ war eine literarische Floskel, die nur für einen Bruchteil einer Sekunde gegolten hat, dann war mir klar, daß irgendwelche Vibrationen im Raum – zum Beispiel vom Gang der Katze zum Fenster und retour – den sehr empfindlich? empfindsam? eingestellten Cursor minimal bewegt haben.

Das Wort „poppen“ bringt mich dazu, folgendes festzuhalten: „poppen“ geht, wenn es halb lustig gemeint ist. Das Wort „ficken“ geht gar nicht für schönen Geschlechtsverkehr. Das ist so aggressiv, daß es bestenfalls (eigentlich: schlimmstenfalls) für eine Vergewaltigung brauchbar ist und für mein Sprachempfinden auch da nicht wirklich präzise. Man merkt ihm die aufgesetzte Intention, die falsche, aber notwendige Aggression an. Das stechende „i“, das im verstärkten, widerstandsforcierten „ck“ stecken zu bleiben droht und gegen den lustfeindlichen puritanisch-protestantischen Moralismus aufgewendet werden muß, um überhaupt ans Vögeln (das Wort mag ich!) auch nur denken zu können.
Nein, beim „Ficken“ ist der oder die Sprechende so sehr mit seinem/ihren Kampf gegen den totalitären Moralismus beschäftigt, daß er oder sie beim Vögeln selbst nicht mehr viel empfinden kann. Er/sie „fickt“ aufgesetzt, vom Kopf her, als Programm, als Projekt auf Grund einer langen Kette von Rechtfertigungsüberlegungen, im Versuch, gegen die eigene internalisierte puritanische Moral anzu- und aufzu-kommen. Ficken: mehr mit dem Kopf als mit dem ganzen Leib.

That's it!









(4.12.2019)









©Peter Alois Rumpf,  Dezember 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

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