Dienstag, 6. August 2019

1446 Die barocke Säule


So eine barocke Heiligensäule – ob Pest-, Marien- oder Dreifaltigkeits- - ist nüchtern betrachtet ein ganz absurdes Objekt.

Nicht ausschließlich eines der Begierde, denn (auch) man muß nicht immer an den freudianischen Penis denken – und ich bin kein Freudianer (eher ins Traurige und Depressive neigend) - obwohl: die Form als Säule und die sie umgebenden Wölkchen und Puttis nur formal, ohne die tradierten Geschichten betrachtet, erinnert tatsächlich an einen ejakulierenden Penis mit Ejakulat und Spritzern und Tropfen (hilft es gegen Impotenz, wenn man die Säule umarmt?).

Das darf man, aber man muß nicht: das Kunstwerk ist auch so absurd genug: ein Putto, als  Kopfflügler schon ein schräges Ding, albern genug, um nicht ernst genommen werden zu können, dessen Gesicht aber aus einer bestimmten Blickperspektive, bei bestimmten Sonnenstand und dem sich daraus ergebenden Schattenspiel an das theaterspielende Antlitz des verehrten Herrn Qualtinger in voller Aktion erinnert (mich zumindest). Wie überhaupt alle die anderen Puttis wie beleidigte Babys ausschauen.

Ein etwas ausgemergelter Gottvater, der im Nacken einen goldenen Stab stecken hat, an dem der Strahlenkranz mit aufgeplatschter Heiligen-Geist-Taube befestigt ist – wer nur hat ihm diese Nackenfolter angetan!

Der Jesus klammert sich an sein abstrahiertes, geometrisiertes Kreuz, weil sein leicht femininisierter Körper von der Wolke zu rutschen droht (irdische Schwerkraft im Himmel! Was für ein Faux-Pas!);  die Maria in bodenlangem, fließendem Gewand, das ihre feinen Brüstchen und ihren schönen, runden Bauch durchschimmern läßt, und mit ihrem koketten Hüftschwung und dann noch die anlassige Haltung ihres rechten Beines, angewinkelt, ein wenig angehoben, ein bißchen über das linke geschoben, also kokett zusammengezwickt wie eine Land-Dingsbums, die auf unschuldig macht und was doch als Aufforderung … ach was!

Ein paar dieser elenden Puttis, wie gesagt: alle mit dem Gesichtsausdruck beleidigter Babys. Links unten gleich der pfeildurchbohrte Sebastian, als Warnung an uns Menschen, denn quod licet Jovi, not licet bovi! damit wir ja nicht auf die Idee kommen, wir herunten dürfen so lasziv sein wie die da oben. Nein! Die Bestrafung wird gleich vorgeführt.

Rechts unten der heilige Sankt  Florian – schütz unser Haus, zünd’s andre an – das dürfen die Irdischen! Oh nein!  Mein Irrtum! Ich trete näher hin: der heilige Tobias mit Hund - würde ich sagen – der seinen Kittel hebt und sein rechtes Knie zeigt und seinen lädierten Oberschenkel: pilgern ist des Menschen Los. (Oh mein Gott, wie daneben: zuerst halte ich ihn für Tobias, dann für Santiago, bis ich endlich herausfinde, daß es der Heilige Rochus ist. Auch er ein großer Dulder, aber auch Heiler. Heißt es. 11.8.) Darunter sinniert eine - ich vermute Jungfrau - mitten in Trümmern sitzend. In den Trümmern ihres Lebens.

Den dritten weiß ich gar nicht, mit Pfarrerbarett  - doch der Nepomuk? Nicht auf der Brücke? Gibt‘s das? – und inbrünstiger Geste gen Himmel verrenkt – oh welch ein unglaubwürdiges Theater!

Ich muß es jetzt doch ganz brutal und vulgärfreudianisch herschreiben: der barocke Senso geometrico und der damalige naturwissenschaftliche Auftrieb wollen den Himmel ficken! Fuck you! Als „Religiöses“ bleibt nur mehr ein falsches Theater über.

Trotzdem oder gerade deswegen gefallen mir diese Säulen und die Tatsache, daß sich die Menschen diese absurden, verräterischen Kunstwerke und Dokumente der Zweideutigkeit und der Dekadenz mitten in ihre Orte stellen - solange ich sie nicht ernstnehmen und ehrfürchtig anbeten muß.

Übrigens: ich trage mein Notizbuch in wahrhaft pfäffisch-klerikaler Geste im linken, angewinkelten Arm - wie es schon jahrhundertelang die echten und vor allem die falschen Buchgelehrten und Pharisäer tun – nach „Hause“ ins wunderbare Schloß, und daß ich mich über mich selbst lustigmache und mich an meiner Doppelbödigkeit und was sie auslösen kann, amüsiere, rettet mich nicht.










(5./6.8.2019)











©Peter Alois Rumpf,  August 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


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