1446 Die barocke Säule
So
eine barocke Heiligensäule – ob Pest-, Marien- oder Dreifaltigkeits- - ist
nüchtern betrachtet ein ganz absurdes Objekt.
Nicht
ausschließlich eines der Begierde, denn (auch) man muß nicht immer an den
freudianischen Penis denken – und ich bin kein Freudianer (eher ins Traurige
und Depressive neigend) - obwohl: die Form als Säule und die sie umgebenden
Wölkchen und Puttis nur formal, ohne die tradierten Geschichten betrachtet,
erinnert tatsächlich an einen ejakulierenden Penis mit Ejakulat und Spritzern
und Tropfen (hilft es gegen Impotenz, wenn man die Säule umarmt?).
Das
darf man, aber man muß nicht: das Kunstwerk ist auch so absurd genug: ein
Putto, als Kopfflügler schon ein
schräges Ding, albern genug, um nicht ernst genommen werden zu können, dessen
Gesicht aber aus einer bestimmten Blickperspektive, bei bestimmten Sonnenstand
und dem sich daraus ergebenden Schattenspiel an das theaterspielende Antlitz des
verehrten Herrn Qualtinger in voller Aktion erinnert (mich zumindest). Wie
überhaupt alle die anderen Puttis wie beleidigte Babys ausschauen.
Ein
etwas ausgemergelter Gottvater, der im Nacken einen goldenen Stab stecken hat,
an dem der Strahlenkranz mit aufgeplatschter Heiligen-Geist-Taube befestigt ist
– wer nur hat ihm diese Nackenfolter angetan!
Der
Jesus klammert sich an sein abstrahiertes, geometrisiertes Kreuz, weil sein
leicht femininisierter Körper von der Wolke zu rutschen droht (irdische Schwerkraft
im Himmel! Was für ein Faux-Pas!); die
Maria in bodenlangem, fließendem Gewand, das ihre feinen Brüstchen und ihren
schönen, runden Bauch durchschimmern läßt, und mit ihrem koketten Hüftschwung und
dann noch die anlassige Haltung ihres rechten Beines, angewinkelt, ein wenig
angehoben, ein bißchen über das linke geschoben, also kokett zusammengezwickt
wie eine Land-Dingsbums, die auf unschuldig macht und was doch als Aufforderung
… ach was!
Ein
paar dieser elenden Puttis, wie gesagt: alle mit dem Gesichtsausdruck
beleidigter Babys. Links unten gleich der pfeildurchbohrte Sebastian, als Warnung
an uns Menschen, denn quod licet Jovi, not licet bovi! damit wir ja nicht auf
die Idee kommen, wir herunten dürfen so lasziv sein wie die da oben. Nein! Die
Bestrafung wird gleich vorgeführt.
Rechts
unten der heilige Sankt Florian – schütz
unser Haus, zünd’s andre an – das dürfen die Irdischen! Oh nein! Mein Irrtum! Ich trete näher hin: der heilige
Tobias mit Hund - würde ich sagen – der seinen Kittel hebt und sein rechtes
Knie zeigt und seinen lädierten Oberschenkel: pilgern ist des Menschen Los. (Oh mein Gott, wie daneben: zuerst halte ich ihn für Tobias, dann für Santiago, bis ich endlich herausfinde, daß es der Heilige Rochus ist. Auch er ein großer Dulder, aber auch Heiler. Heißt es. 11.8.) Darunter sinniert eine - ich vermute Jungfrau - mitten in Trümmern sitzend. In
den Trümmern ihres Lebens.
Den
dritten weiß ich gar nicht, mit Pfarrerbarett
- doch der Nepomuk? Nicht auf der Brücke? Gibt‘s das? – und inbrünstiger
Geste gen Himmel verrenkt – oh welch ein unglaubwürdiges Theater!
Ich
muß es jetzt doch ganz brutal und vulgärfreudianisch herschreiben: der barocke
Senso geometrico und der damalige naturwissenschaftliche Auftrieb wollen den
Himmel ficken! Fuck you! Als „Religiöses“ bleibt nur mehr ein falsches Theater
über.
Trotzdem
oder gerade deswegen gefallen mir diese Säulen und die Tatsache, daß sich die
Menschen diese absurden, verräterischen Kunstwerke und Dokumente der
Zweideutigkeit und der Dekadenz mitten in ihre Orte stellen - solange ich sie nicht ernstnehmen
und ehrfürchtig anbeten muß.
Übrigens:
ich trage mein Notizbuch in wahrhaft pfäffisch-klerikaler Geste im linken,
angewinkelten Arm - wie es schon jahrhundertelang die echten und vor allem die
falschen Buchgelehrten und Pharisäer tun – nach „Hause“ ins wunderbare Schloß,
und daß ich mich über mich selbst lustigmache und mich an meiner
Doppelbödigkeit und was sie auslösen kann, amüsiere, rettet mich nicht.
(5./6.8.2019)
©Peter Alois Rumpf, August 2019
peteraloisrumpf@gmail.com
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