Donnerstag, 21. Februar 2019

1259 Trip


So, jetzt reicht's! Jetzt will die PVA wieder irgendeinen Nachweis von mir. Dabei war ich vorgestern dort, da hat mir niemand etwas gesagt. Ich wandere nur mehr zu und zwischen WGKK und PVA hin und her. Das ist alles Frozzelei! Schluß jetzt.

(20./21.2.2019)




Ein ordentlicher Panikpunch am Morgen, den ich jedoch nach ein paar Minuten einigermaßen auflösen kann. Meine finanzielle Situation macht mir große Angst. Wie soll ich 1067 € zurückzahlen? Ich kenne mich in diesem ganzen Wirrwarr an Vorschriften, Regeln, Gesetzen nicht aus. Ich habe mich darauf verlassen, daß die schon wissen, was sie tun.
Ich bin heillos überfordert, auch damit, mir professionelle Hilfe zu holen.

Alle von der Krankenkasse bezahlten Therapieplätze sind besetzt. Ich wette, daß da einige drauf sitzen, die sich leicht eine Therapie aus eigener Tasche leisten könnten.

Ich schweife vom Schreiben und Nachdenken ab und tagträume in die falsche Richtung. Das stimmt aber: ich habe keine Idee, wie es weitergehen kann.


Nachmittag. Ich versuche meine Gedanken zu ordnen: die WGKK will 1.067 € zurück, weil ich sie zu Unrecht bezogen haben soll. Die PVA will eine Gehaltsbestätigung.
Zum ersten: wenn ich jetzt normal bezahlt werde, müßten Ende des Monats gut 700 € auf mein Konto kommen. Wenn ich mein Guthaben zusammenkratze, könnte es sich ausgehen. Weiterleben wäre dann nur mehr möglich, wenn ich meiner Frau auf der Tasche liege. Aber auch sie muß knapp kalkulieren; die Miete frißt die Hälfte ihres Einkommens.
Die 400 € auf meinem Sparbuch sind für meine Zahnprothese reserviert und werden dafür vermutlich gar nicht mehr reichen.
Wann ich in Pension gehen kann, weiß ich nicht, beim letzten Termin vorgestern wurde mir gesagt, mein Stichtag ist erster März, bis dorthin gibt es keine Auskunft. Es gibt Anzeichen (zumindest kommt mir es so vor), daß das Datum nicht durchgeht. Meine Pension wäre ca. 366 €. Trotzdem werde ich nicht mehr in den alten Beruf zurückkehren, ich riskiere keinen Zusammenbruch meiner Psyche mehr. Ich werde versuchen, alle sozialen Vergünstigungen zu bekommen, die es gibt. Wenn ich gratis in irgendwelche Museen kann, werde ich dort zu schreiben versuchen. Ich werde meinen Beitrag zur Pflege des Elterngrabes einstellen und wohl auch – so sehr mich das schmerzt – meine milden und fragwürdigen Gaben für BettlerInnen (fragwürdig, weil möglicherweise und nicht unwahrscheinlich ein Versuch, ein bißchen  (scheinbare) Überlegenheit herzustellen?). (Die an die Aktion Leben habe ich schon eingestellt.)

Was mir aber am meisten Sorgen macht: ich werde mir keine Therapie bezahlen können; die Krankenkassenplätze sind alle vergeben. Ohne Therapie sehe ich mich nicht in der Lage, das alles zu schaffen.

Soweit mein Versuch, die Gedanken zu ordnen.

Meine Gefühle hat die Existenzangst gefressen. Eine verdächtige Gleichgültigkeit herrscht vor, vielleicht kann ich aber bloß die Realität nicht zur Kenntnis nehmen und verharre in Illusionen und falschen Hoffnungen. Vielleicht kommt der harte Aufschlag erst und noch spiele ich mich herum. Ich sitze ja im Cafe und bestelle noch einen Cappucchino. Ich denke, das ist jetzt infantiler Trotz gemischt mit Nicht-nein-sagen-können, weil ich ja gefragt wurde, ob ich noch etwas wünsche. Ich würde mich zu Tode genieren, bei einem Glas Wasser noch stundenlang hocken zu bleiben. Genauso wie ich gestern bei der Selbstachtsamkeitsmeditation den Beitrag von 27 € ohne zu Mucken gezahlt habe, obwohl es einen Sozialtarif geben soll.

Ich fürchte den Aufprall.

Ich blicke aus dem Fenster auf die fade fünfzigerjahre Fassade; daß sie fad ist, ist mir recht (ich bin ja selber ein fader Zipf). Weder neunzehntesjahrhundert Dekordreck noch postmodern aufgeblasenen Schmarrn will ich jetzt ertragen. (Also: die Wut wäre schon da, ich kann sie nur nicht zu einer sinnvollen Aggression für den Lebenskampf umformen. Ich bekomme sie auch nicht ungeordnet und sinnlos wirklich nach außen. Ich kann sie nur gegen mich selber richten oder mich tot stellen.)

Aber heute bleibe ich da sitzen und sitze einfach. Ich sitze nur da. Ich versuche, einen Blick vom mit dünnen weißen Wolken überzogenen blauen Himmel zu erhaschen. Ja, wenn ich den Blick ganz hoch hebe, sehe ich drei Quadratdezimeter. Nur tut mir von der gestrigen Meditation der Nacken weh, wenn ich mein Gesicht zum Himmel richte. So bleibe ich bei den Spiegelungen in den Fenstern.

Ausweg weiß ich keinen. Sehe ich keinen.

Im Moment fühle ich mich total in der Fremde. Dieses Gefühl jedoch beginnt mir zu gefallen. Ich bin allein auf der Welt, also ist alles egal: ob ich elegant oder kleinlaut und jammernd untergehe, ob heroisch oder winselnd. Wen kümmert's?

Ich darf nicht vergessen: ich habe mir versprochen, bevor ich unten aufpralle, einen ordentlichen Trip zum Beispiel a la LSD zu nehmen, damit ich vorm Tod einen Blick hinter die Kulissen getan habe. Diesen Heilungsversuch bin ich mir schuldig! Auch wenn ich nicht weiß, wie man zu soetwas kommt.

Ich sitze da und der ruhige Jazz lullt mich ein. Aber jetzt gehe ich nach Hause, die Wäsche waschen, für meine Familie. Ich kann sie nicht total im Stich lassen.






(21.2.2019)






 ©Peter Alois Rumpf  Februar 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]

<< Startseite