1259 Trip
So, jetzt reicht's! Jetzt will die PVA wieder irgendeinen
Nachweis von mir. Dabei war ich vorgestern dort, da hat mir niemand etwas
gesagt. Ich wandere nur mehr zu und zwischen WGKK und PVA hin und her. Das ist
alles Frozzelei! Schluß jetzt.
(20./21.2.2019)
Ein ordentlicher Panikpunch am Morgen, den ich jedoch nach
ein paar Minuten einigermaßen auflösen kann. Meine finanzielle Situation macht
mir große Angst. Wie soll ich 1067 € zurückzahlen? Ich kenne mich in diesem
ganzen Wirrwarr an Vorschriften, Regeln, Gesetzen nicht aus. Ich habe mich
darauf verlassen, daß die schon wissen, was sie tun.
Ich bin heillos überfordert, auch damit, mir professionelle
Hilfe zu holen.
Alle von der Krankenkasse bezahlten Therapieplätze sind
besetzt. Ich wette, daß da einige drauf sitzen, die sich leicht eine Therapie
aus eigener Tasche leisten könnten.
Ich schweife vom Schreiben und Nachdenken ab und tagträume
in die falsche Richtung. Das stimmt aber: ich habe keine Idee, wie es
weitergehen kann.
Nachmittag. Ich versuche meine Gedanken zu ordnen: die WGKK
will 1.067 € zurück, weil ich sie zu Unrecht bezogen haben soll. Die PVA will
eine Gehaltsbestätigung.
Zum ersten: wenn ich jetzt normal bezahlt werde, müßten Ende
des Monats gut 700 € auf mein Konto kommen. Wenn ich mein Guthaben
zusammenkratze, könnte es sich ausgehen. Weiterleben wäre dann nur mehr
möglich, wenn ich meiner Frau auf der Tasche liege. Aber auch sie muß knapp
kalkulieren; die Miete frißt die Hälfte ihres Einkommens.
Die 400 € auf meinem Sparbuch sind für meine Zahnprothese
reserviert und werden dafür vermutlich gar nicht mehr reichen.
Wann ich in Pension gehen kann, weiß ich nicht, beim letzten
Termin vorgestern wurde mir gesagt, mein Stichtag ist erster März, bis dorthin
gibt es keine Auskunft. Es gibt Anzeichen (zumindest kommt mir es so vor), daß
das Datum nicht durchgeht. Meine Pension wäre ca. 366 €. Trotzdem werde ich
nicht mehr in den alten Beruf zurückkehren, ich riskiere keinen Zusammenbruch
meiner Psyche mehr. Ich werde versuchen, alle sozialen Vergünstigungen zu
bekommen, die es gibt. Wenn ich gratis in irgendwelche Museen kann, werde ich
dort zu schreiben versuchen. Ich werde meinen Beitrag zur Pflege des Elterngrabes
einstellen und wohl auch – so sehr mich das schmerzt – meine milden und
fragwürdigen Gaben für BettlerInnen (fragwürdig, weil möglicherweise und nicht
unwahrscheinlich ein Versuch, ein bißchen
(scheinbare) Überlegenheit herzustellen?). (Die an die Aktion Leben habe
ich schon eingestellt.)
Was mir aber am meisten Sorgen macht: ich werde mir keine
Therapie bezahlen können; die Krankenkassenplätze sind alle vergeben. Ohne
Therapie sehe ich mich nicht in der Lage, das alles zu schaffen.
Soweit mein Versuch, die Gedanken zu ordnen.
Meine Gefühle hat die Existenzangst gefressen. Eine
verdächtige Gleichgültigkeit herrscht vor, vielleicht kann ich aber bloß die
Realität nicht zur Kenntnis nehmen und verharre in Illusionen und falschen
Hoffnungen. Vielleicht kommt der harte Aufschlag erst und noch spiele ich mich
herum. Ich sitze ja im Cafe und bestelle noch einen Cappucchino. Ich denke, das
ist jetzt infantiler Trotz gemischt mit Nicht-nein-sagen-können, weil ich ja
gefragt wurde, ob ich noch etwas wünsche. Ich würde mich zu Tode genieren, bei
einem Glas Wasser noch stundenlang hocken zu bleiben. Genauso wie ich gestern
bei der Selbstachtsamkeitsmeditation den Beitrag von 27 € ohne zu Mucken
gezahlt habe, obwohl es einen Sozialtarif geben soll.
Ich fürchte den Aufprall.
Ich blicke aus dem Fenster auf die fade fünfzigerjahre
Fassade; daß sie fad ist, ist mir recht (ich bin ja selber ein fader Zipf).
Weder neunzehntesjahrhundert Dekordreck noch postmodern aufgeblasenen Schmarrn
will ich jetzt ertragen. (Also: die Wut wäre schon da, ich kann sie nur nicht
zu einer sinnvollen Aggression für den Lebenskampf umformen. Ich bekomme sie
auch nicht ungeordnet und sinnlos wirklich nach außen. Ich kann sie nur gegen
mich selber richten oder mich tot stellen.)
Aber heute bleibe ich da sitzen und sitze einfach. Ich sitze
nur da. Ich versuche, einen Blick vom mit dünnen weißen Wolken überzogenen
blauen Himmel zu erhaschen. Ja, wenn ich den Blick ganz hoch hebe, sehe ich
drei Quadratdezimeter. Nur tut mir von der gestrigen Meditation der Nacken weh,
wenn ich mein Gesicht zum Himmel richte. So bleibe ich bei den Spiegelungen in
den Fenstern.
Ausweg weiß ich keinen. Sehe ich keinen.
Im Moment fühle ich mich total in der Fremde. Dieses Gefühl
jedoch beginnt mir zu gefallen. Ich bin allein auf der Welt, also ist alles
egal: ob ich elegant oder kleinlaut und jammernd untergehe, ob heroisch oder
winselnd. Wen kümmert's?
Ich darf nicht vergessen: ich habe mir versprochen, bevor
ich unten aufpralle, einen ordentlichen Trip zum Beispiel a la LSD zu nehmen,
damit ich vorm Tod einen Blick hinter die Kulissen getan habe. Diesen
Heilungsversuch bin ich mir schuldig! Auch wenn ich nicht weiß, wie man zu
soetwas kommt.
Ich sitze da und der ruhige Jazz lullt mich ein. Aber jetzt
gehe ich nach Hause, die Wäsche waschen, für meine Familie. Ich kann sie nicht
total im Stich lassen.
(21.2.2019)
©Peter Alois
Rumpf Februar 2019 peteraloisrumpf@gmail.com
0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]
<< Startseite