Donnerstag, 19. Juli 2018

1033 Wie ein Tourist


Wie ein Tourist sitze ich auf einem – wie sage ich? - Baumbankerl in der Innenstadt mit Blick aufs Kapuzinerkloster, die Ohrstöpsel ordentlich aufgedreht um mich zu schützen und mein – hm! - Selbstwertgefühl (?) zu stärken; schon ein wenig hungrig und was? Nichts. Gar nichts. Der Wind streichelt meine kurzbehosten Beine, Touristenströme ziehen in und aus allen Richtungen vorbei, aber auch einzelne Gestalten. Ich fange beim Herumschauen unabsichtlich so einen Blick auf und werde gleich weitergehen.

Unter drei Linden habe ich mich niedergelassen und warte, bis die Kontrolle vorbei ist und ich wieder nach Hause kann. Am Gestade ohne Wasser sitze ich schön im Schatten und schaue mich um, während ich der Rosenmonarchie (RHCP) lausche. Mein Rücken sackt zusammen, vom aufrechten durchschneiden der Touristenströme auf steinernem Grund ermüdet. Eine Fußbodenmatte wird fast auf Polnisch ausgeschüttelt und die Geschäftstüre einladend offen gelassen. Auf dem Brunnen mit den vier kleinlichen Rinnsalen wird seit Jahrzehnten ein Ertrinkender gerettet (oder ein Ertrunkener geborgen).

Nur wenig Menschen passieren den Platz und das ergibt eine gelungene Balance zwischen Ruhe und Leben und den schönen Häusern gegenüber – die sind ohne jeden barocken Irrsinn und ohne jeden starren-schizophrenen Neunzehndes-Jahrhundert-Stil, wie etwa das Haus auf der anderen Straßenseite.

Ein gelb-schwarzer Marienkäfer (der Magna Mater Austriae geweiht?) kommt mein Notizbuch besuchen, dann meinen rechten Arm.

Beinahe gelingt in dieser hochsommerlichen Ferienstimmung die Illusion, noch jung zu sein und das Leben vor mir zu haben – wie die leichte Brise ein paar vertrocknete Blätter herumtreibt, dem habe ich doch schon damals zugeschaut, mit dem irrigen Gefühl, noch Zeit zu haben. Ein kurzer schüttelfrostiger Schauder läuft über meinen ganzen Körper – vielleicht ist es der Tod, der mir so das Gegenteil zeigen will.

Der Platz hier hat etwas optimistisches, auch in seinen modernen Elementen aus der Zeit, als die Zukunftshoffnungen noch intakt waren.

Die Polizeisirenen gehen exakt mit der Musik aus den Ohrenstöpseln.

Übrigens: anscheinend ist die Kontrolle nie vorbei, auch wenn ich lange warte.








(19.7.2018)










©Peter Alois Rumpf    Juli 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

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