1033 Wie ein Tourist
Wie ein Tourist sitze ich auf einem – wie sage ich? -
Baumbankerl in der Innenstadt mit Blick aufs Kapuzinerkloster, die Ohrstöpsel
ordentlich aufgedreht um mich zu schützen und mein – hm! - Selbstwertgefühl (?)
zu stärken; schon ein wenig hungrig und was? Nichts. Gar nichts. Der Wind
streichelt meine kurzbehosten Beine, Touristenströme ziehen in und aus allen
Richtungen vorbei, aber auch einzelne Gestalten. Ich fange beim Herumschauen
unabsichtlich so einen Blick auf und werde gleich weitergehen.
Unter drei Linden habe ich mich niedergelassen und warte,
bis die Kontrolle vorbei ist und ich wieder nach Hause kann. Am Gestade ohne
Wasser sitze ich schön im Schatten und schaue mich um, während ich der
Rosenmonarchie (RHCP) lausche. Mein Rücken sackt zusammen, vom aufrechten
durchschneiden der Touristenströme auf steinernem Grund ermüdet. Eine
Fußbodenmatte wird fast auf Polnisch ausgeschüttelt und die Geschäftstüre
einladend offen gelassen. Auf dem Brunnen mit den vier kleinlichen Rinnsalen
wird seit Jahrzehnten ein Ertrinkender gerettet (oder ein Ertrunkener
geborgen).
Nur wenig Menschen passieren den Platz und das ergibt eine
gelungene Balance zwischen Ruhe und Leben und den schönen Häusern gegenüber –
die sind ohne jeden barocken Irrsinn und ohne jeden starren-schizophrenen
Neunzehndes-Jahrhundert-Stil, wie etwa das Haus auf der anderen Straßenseite.
Ein gelb-schwarzer Marienkäfer (der Magna Mater Austriae geweiht?)
kommt mein Notizbuch besuchen, dann meinen rechten Arm.
Beinahe gelingt in dieser hochsommerlichen Ferienstimmung
die Illusion, noch jung zu sein und das Leben vor mir zu haben – wie die
leichte Brise ein paar vertrocknete Blätter herumtreibt, dem habe ich doch
schon damals zugeschaut, mit dem irrigen Gefühl, noch Zeit zu haben. Ein kurzer
schüttelfrostiger Schauder läuft über meinen ganzen Körper – vielleicht ist es
der Tod, der mir so das Gegenteil zeigen will.
Der Platz hier hat etwas optimistisches, auch in seinen
modernen Elementen aus der Zeit, als die Zukunftshoffnungen noch intakt waren.
Die Polizeisirenen gehen exakt mit der Musik aus den
Ohrenstöpseln.
Übrigens: anscheinend ist die Kontrolle nie vorbei, auch
wenn ich lange warte.
(19.7.2018)
©Peter Alois Rumpf
Juli 2018
peteraloisrumpf@gmail.com
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