Mittwoch, 6. Dezember 2017

839 Ein Lob auf meine Depression

Aufreizend ausgebreitet liegt meine Unterhose schräg da hingeworfen oben am Kleiderberg auf dem Stuhl. Schaut geradezu kühn aus und frech. Der oberste Zipfel der Unterhose hat sich auch noch an die Konsole mit den Weihräuchergeräten gelehnt, so, daß der Eindruck entsteht, als würde sie diesen Zipfel selbstbewußt aufrecht halten. Eine Unterhose, die sich nicht demütig beugt und unterwirft (obwohl sie Unterhose heißt und ganz wirklich so geworfen wurde). Ansonsten ist meine Welt klein.

Meine kleine Welt. Das ist keine Idylle. Klein heißt kleinlich. Und ängstlich. Vorm Raufklettern und vorm Hinunterfallen. Vorm Attackiertwerden (unfreundlich) und vorm Reingelegtwerden (freundlich).

Aber jetzt fühle ich mich halbwegs sicher hier im Bett. An die Arbeiter vor der Wohnungstür mit ihrem Maschinen- und Gerätelärm habe ich mich einigermaßen gewöhnt, nur an ihren Zigarettenrauch nicht, der sich offensichtlich durch die Ritzen meiner Welt zu mir hereinschwindelt. Auch nicht an die Radioklänge, dieses morgendliche Optimismusgedudel, das durch die Tür hereindrängt. Das stört besonders meine Morgenstille, die knappen ein, zwei Stunden, an denen es hier normalerweise still ist (immer muß ich mich gegen Lärm behaupten). Mir ist jedoch meine Morgendepression beim Arsch lieber, als dieses kollektive Fröhlichkeitsgezappel aus den morgendlichen Radios beim Gesicht. Und die hysterischen Stimmen der Werbeeinschaltungen! Pfui! Nein, das sind lauter Süchtige und Abhängige, die so etwas brauchen, um in der Früh aufzukommen. Ich verachte Leute, die ständig ihre innere Leere zudecken und jede Stille zerstören müssen mit Aktivität oder Lärm oder schlechter Musik, weil sie die schmerzhaften Bilder und Erinnerungen fürchten, die in ihrer Stille in ihnen aufsteigen würden. (Frage: Steht mir eine solche Verurteilung zu? Antwort: Nein! Überhaupt nicht. Dennoch:) Ein Lob auf meine Depression. Sie traut sich wenigstens ansatzweise, sich der Vergangenheit und ihren wirklichen Auswirkungen in meinem Hier und Jetzt zu stellen. Ansatzweise. Ich bin ganz stolz auf sie!








(5./6.12.2017)













©Peter Alois Rumpf    Dezember 2017     peteraloisrumpf@gmail.com

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