362 Im Namen des Gedichts von Herbeck
Ich schreibe den Namen des Gedichts* hin, dann streiche ich
ihn wieder durch. Weil – so kann man keinen Text beginnen.
Heute hatte ich sehr, sehr viele Ablehnungen, aber doch auch
überdurchschnittliche fünf Interviews. Das könnte ich auch wieder
durchstreichen. So beginnt kein ordentlicher Text. Da ist kein Fleisch auf den
Knochen. Oder umgekehrt, kein Knochen im Fleisch.
Das Flimmern vor meinen Augen erzeugt einen Farbteppich, wie
der Regen draußen einen Klangteppich erzeugt. Gerade vorher habe ich noch in
einem Haus-am-Fluß-ähnlichen Studententreff den jazzigen Kontrabass gespielt,
aber die anderen Bandmitglieder haben nicht richtig weitergetan, sodaß ich
alleine unsere Musik tragen mußte und durchziehen. Ich habe es mit rhythmischem
Baßspiel geschafft. Die jungen StudentInnen – unser Publikum – waren sehr
unaufmerksam und laut.
Aufgewacht in eine düstere Finsternis, meine Eingeweide
zittern noch. Erst jetzt merke ich, die zwei Visionäre glurren mich an; mir
kommt vor, sie grinsen wissend und freundlich dabei; ihr vollerer Blick scheint
lachen zu machen.
Eine kleine Explosion in den Innereinen, die ich nicht
zuordnen kann, löst eine kleine Schockwelle aus.
Die Regentropfen haben sich vereinzelt.
Eigentlich ein schöner Morgen, so, wie ich ihn liebe:
langsamer Übergang vom Schlaf in den Wachzustand, langes Verharren im
Zwischenreich, die Empfindungen und Stimmungen aus dem Traum noch lange nachhallen
und ausklingen lassen.
Nun greift der neuerliche Regenteppich meine Stimmung auf
und transportiert sie fliegend ins Allgemeine. Kommt mir zumindest so vor.
Eine schöne, schöne Stille erzeugt sich hier und jetzt. So
möchte ich bleiben, in dieser Kontemplation könnte mein Leben noch lange
weitergehen. So eine Art unsichtbare Bedeutung, unsichtbarer Sinn zieht fast
schon sichtbar durch meine Kammer. Meine Kammer erfüllt.
Diese Stille scheint unzerstörbar, aber sie ist es nicht.
Sehr unwahrscheinlich, daß ich dem Geschrei und Gezerre des Alltags standhalte.
Aber möglich wäre es, standzuhalten. Das auszusprechen ist mir ganz wichtig:
ja, das Standhalten ist möglich!
* (Es handelt sich dabei um das Gedicht „Heimweh.“ von Ernst
Herbeck. Als ich es am Samstag in der Ernst-Herbeck-Ausstellung in Gugging an
der Wand gefunden und gelesen habe, hat es mich unglaublich berührt; mehr als
gerührt: getroffen. Zu finden ist es im Buch „Ernst Herbeck, Der Hase!!!!“;
ausgewählte Gedichte; herausgegeben von Gisela Steinlechner; Verlag Jung und
Jung)
©Peter Alois Rumpf Mai
2016 peteraloisrumpf@gmail.com
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