Montag, 23. Mai 2016

360 Die letzten Tage

„Darf ich Sie befragen?“
„Aber ja, gerne!“



Mein Pilotprojekt neigt sich dem Ende zu. Mein Kugelschreiber schreibt schon äußerst schwach. Das hat dann nichts mit meiner inneren Verfaßtheit zu tun – ich werde immer stärker.
Ich spüre eine starke Kraft in mir.
Und danke! Danke! Danke!
blbl.



Heute schreibt der Kugelschreiber wieder, aber ich selber fühle mich sehr schwach. Heute kann ich mich nicht wehren. Ich kann einfach nichts entgegenhalten. Nicht nur, daß mir nichts einfällt – das ginge ja noch – nein, ich finde nichts, was ich entgegenhalten könnte, was eine Gegenwehr rechtfertigen würde. In mir finde ich das nicht.Woher nehmen, wenn nicht stehlen?



Das ist ein kolossaler Rückzug! Großartig! Was kann man da machen? Fäden ziehen. Vertikale Längsstreifen. Glurren, glurren und immer wieder glurren. Rechts dann der Tanz ins Licht. Ein richtiger Volkstanz eigentlich. Links unten das grünliche Leuchten beim abgeschnittenen Daumen. Kurz. Eh nur kurz. Das dritte Auge da drüben, neben dem Kamintürl. Eigenartige Anatomie. Noch eigenartigere Ohjatomie. Zum erstenmal entdeckt: eine Bach'sche Farbkombination.

Kombinege. In meinem Gehirn arbeitet irgendeine sulzige Substanz gegen meine Erinnerungen. Wie hat der Katalog geheißen? Ich muß wieder öfter die Quellform üben.

Die schrille Surrsymphonie dröhnt ganz stark, ein Klangteppich. Tepp ich. Nein, das streichen wir wieder durch. Das ist ein schlechtes Echo. Aber es versiegt. Was siegt?



Manchmal genieße ich es, nichts zu wollen. Nichts zu erwarten wäre klüger. Aber ich genieße es, nichts zu wollen. Da werde ich geradezu andächtig meinem Leben gegenüber. Ich will nicht einmal an mir etwas ändern. Und das will was heißen. Aber sie hält nur kurz an, diese Andacht. Wehmut weht mich dabei an und so eine Art Tapferkeit. Keine richtige, nein, eh nicht, nur so eine Art von Tapferkeit; nicht viel mehr als nicht das Feld zu räumen.
Wo ist der Gedichtband? Bei zwei Gedichten gestern habe ich mich ein wenig weggedreht, damit niemand merkt, daß ich gegen das Weinen kämpfe.



Viele Krähen rufen in der Ferne, eine Amsel ganz nahe. Menschliche Stimmen – monoton, müde – mischen sich von unten dazu. Und eine Taube von außen. Und wieder die Krähen. Ein richtiges Palaver. Ein Flugzeug landet und ein Auto gibt Gas. Noch ein Flugzeug. Sie beginnen zu dominieren.
Die menschlichen Stimmen sind jetzt lauter, näher, munterer, wirken aber trotzdem deplaziert. Naja, zumindest ich will sie nicht hören. Arbeitsstimmen.
Man wünscht sich einen Segen über alles, aber alles ist dazu nicht bereit.
Auch ich bin nur eine müder Chronist, ohne Lust, alles aufzuschreiben. Eine Müdigkeit, die durch schlafen nicht wirklich besser wird. Die schrillen Rotationssirenen einer Motorsense. Jetzt die Kirchenglocken, die mich immer noch ansprechen, nach so langer Zeit, und zur Zuversicht rufen. Alles hat seinen Sinn. Auch als Zaungast. Die Amsel schmettert ihr Lied und lockt in eine andere Richtung.












©Peter Alois Rumpf    Mai 2016                 peteraloisrumpf@gmail.com


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