360 Die letzten Tage
„Darf ich Sie befragen?“
„Aber ja, gerne!“
Mein Pilotprojekt neigt sich dem Ende zu. Mein
Kugelschreiber schreibt schon äußerst schwach. Das hat dann nichts mit meiner
inneren Verfaßtheit zu tun – ich werde immer stärker.
Ich spüre eine starke Kraft in mir.
Und danke! Danke! Danke!
blbl.
Heute schreibt der Kugelschreiber wieder, aber ich selber
fühle mich sehr schwach. Heute kann ich mich nicht wehren. Ich kann einfach
nichts entgegenhalten. Nicht nur, daß mir nichts einfällt – das ginge ja noch –
nein, ich finde nichts, was ich entgegenhalten könnte, was eine Gegenwehr
rechtfertigen würde. In mir finde ich das nicht.Woher nehmen, wenn nicht
stehlen?
Das ist ein kolossaler Rückzug! Großartig! Was kann man da
machen? Fäden ziehen. Vertikale Längsstreifen. Glurren, glurren und immer
wieder glurren. Rechts dann der Tanz ins Licht. Ein richtiger Volkstanz
eigentlich. Links unten das grünliche Leuchten beim abgeschnittenen Daumen.
Kurz. Eh nur kurz. Das dritte Auge da drüben, neben dem Kamintürl. Eigenartige
Anatomie. Noch eigenartigere Ohjatomie. Zum erstenmal entdeckt: eine Bach'sche
Farbkombination.
Kombinege. In meinem Gehirn arbeitet irgendeine sulzige Substanz
gegen meine Erinnerungen. Wie hat der Katalog geheißen? Ich muß wieder öfter
die Quellform üben.
Die schrille Surrsymphonie dröhnt ganz stark, ein
Klangteppich. Tepp ich. Nein, das streichen wir wieder durch. Das ist ein
schlechtes Echo. Aber es versiegt. Was siegt?
Manchmal genieße ich es, nichts zu wollen. Nichts zu
erwarten wäre klüger. Aber ich genieße es, nichts zu wollen. Da werde ich
geradezu andächtig meinem Leben gegenüber. Ich will nicht einmal an mir etwas
ändern. Und das will was heißen. Aber sie hält nur kurz an, diese Andacht.
Wehmut weht mich dabei an und so eine Art Tapferkeit. Keine richtige, nein, eh
nicht, nur so eine Art von Tapferkeit; nicht viel mehr als nicht das Feld zu
räumen.
Wo ist der Gedichtband? Bei zwei Gedichten gestern habe ich
mich ein wenig weggedreht, damit niemand merkt, daß ich gegen das Weinen
kämpfe.
Viele Krähen rufen in der Ferne, eine Amsel ganz nahe.
Menschliche Stimmen – monoton, müde – mischen sich von unten dazu. Und eine
Taube von außen. Und wieder die Krähen. Ein richtiges Palaver. Ein Flugzeug
landet und ein Auto gibt Gas. Noch ein Flugzeug. Sie beginnen zu dominieren.
Die menschlichen Stimmen sind jetzt lauter, näher, munterer,
wirken aber trotzdem deplaziert. Naja, zumindest ich will sie nicht hören.
Arbeitsstimmen.
Man wünscht sich einen Segen über alles, aber alles ist dazu
nicht bereit.
Auch ich bin nur eine müder Chronist, ohne Lust, alles
aufzuschreiben. Eine Müdigkeit, die durch schlafen nicht wirklich besser wird.
Die schrillen Rotationssirenen einer Motorsense. Jetzt die Kirchenglocken, die
mich immer noch ansprechen, nach so langer Zeit, und zur Zuversicht rufen.
Alles hat seinen Sinn. Auch als Zaungast. Die Amsel schmettert ihr Lied und
lockt in eine andere Richtung.
©Peter Alois Rumpf Mai
2016 peteraloisrumpf@gmail.com
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