Freitag, 2. Juni 2023

3226 Bei den Pappeln

 



Diese Pappeldinger (Ich habe nachgeschaut: das heißt Pappelwolle) schweben langsam durch die Luft und landen dann auf der Erde. Wie schon einmal angemerkt: Lichtschutzfaktor 30 erschlägt die Poesie; zumindest bei mir Un-dichter. Bleibt noch „Schriftsteller“, eventuell. (Zahlt die UNO unter irgendeinem Vorwand und über irgendeiner ihrer vielen Teilorganisationen auch Dichter? UN-Dichter? Wer was weiß bitte melden! Emailadresse unten). Sagen wir es so: bei den Nackerten im Gänsehäufel ist es heute ganz ruhig. Zwei Arbeiter in unterschiedlich blauen Latzhosen sind recht gemächlich mit den Mistkübeln beschäftigt. Ich gönne ihnen die Gemütlichkeit; richtig so! Der sanfte Wind geht ganz leicht. Und die Pappeln zittern so schön. Von ferne rauschen elegisch die Rasenmäher. Das Wasser ist herrlich zum Anschauen und zum Schwimmen. Die Krähen sind nicht weit. Eine ruft ganz nahe mit melancholisch heiserer Stimme. Eine Ameise zwickt mich in den Rücken. Eine bekleidete Frau trägt einen Sessel Richtung Westen. Ich sehe jetzt die Krähe im Baum. Jetzt spricht sie ganz leise einen rollenden Laut. Ein Flugzeug (das gehört anscheinend auch zum Sommer; jedenfalls bei mir ist es so abgespeichert). Ich bekomme viel zu früh Hunger. Oder ist mir bloß fad? Wir warten noch ab. Nach einigen lauten Rufen gibt die Krähe im Baum wieder einen leisen, diesmal pochenden Ton von sich. Ich habe mich jetzt auf den Rücken gelegt, den Kopf beim Pappelstamm und schaue ins Geäst und auf den blauen Himmel in den Lücken des Blätterdaches. Diesen Blick, der unglaublich weit bis zu den Baumspitzen braucht, werde ich im Bewußtsein behalten; das weiß ich schon jetzt.

Die Omar-Rodrieguez-Lopez-Group haut voll rein, während mir der Wind die nackte Haut mit leichter, lauwarmer Kühle streicht. Ein unidentifiziertes, krabbelndes Wesen läuft über das Notizbuch. Das Musikstück (Live Los Angeles (WIP) II 2010 rough cut 2) nähert sich langsam aber kräftig seinem dramatischen Höhepunkt und absoluten Verwandlungsmoment. Das ist meine Andachtsmusik! Da werde ich ganz andächtig! Ein Paukenschlag (sozusagen) und die musikalische Fülle heult als wahre Flut dicht, polyphon, überschäumend und glücklich los. Nun ein neues Stück, eine neue Stimmung. Jetzt singt Ximena Sariñana mit ihnen. And now mein vielgeliebter John Frusciante (neues Stück, neue Stimmung). Die Umgebung habe ich weitgehend aus den Augen verloren. Mit bewußter Absicht schaue ich mich wieder um (es gibt auch eine „unbewußte Absicht“ W.D.). Seifenblasen werden in den Wind geblasen; ich kann nicht herausfinden von wem. Eine kleine Meise setzt sich auf eine kleine Weide fünf Meter vor mir. Das Paradies ist verloren, das sieht man an den Nackten (und den Roten: Sonnenbrand!). Eine Krähe fliegt einen weiten Bogen und setzt sich ganz oben auf den kahlen Ast einer Pappel.




(1.6.2023)

©Peter Alois Rumpf Juni 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

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