Donnerstag, 2. März 2023

3113 Lichtblick

 

9:57 a.m.  Ich sehe vom Bett aus durchs Fenster im Lichthof an der nordwestlichen Hauswand einen gegitterten Sonnenlichtfleck. Dieser animiert mich, mich aus meinen Tagesanbruchsphantasien zu lösen, deren Hauptthemen sex and crime sind: Sex noch aus einem Traum, wenn daselbst auch vergeblich und unerfüllt (respektive: unentleert), und Crime: mein Lieblingssujet: ich als unschuldig Verfolgter zu Unrecht im Gefängnis mit angehängter Größenwahnrettung (also was jetzt!?! Wird der Größenwahn gerettet oder läuft die Rettung in größenwahnsinnigem Modus ab?). Wie auch immer: ich grüße ehrfürchtig und dankbar dero Sonnen Lichtfleck, der immer weiter in den Oberlichtausschnitt rückt und damit größer wird: ein kleines, nicht ganz exaktes Rechteck mit vier vertikalen Schattenstreifen (die Form Trapez zu nennen wäre assoziationstechnisch und vorstellungsaufrufend irreführend). Mein Ablagenturm auf meinem Schreibtisch gibt sich heute lustig; wie mit einer verwuschelten Frisur. Im Zentrum meiner Aufmerksamkeit bleibt jedoch der oberlichtige Sonnengruß (die Sonne grüßt mich!). Mir fällt ein, meine linke Hand entspannter zu halten. Vermutlich eine Schleifmaschine in der Umgegend übertönt tapfer und konsequent mein Ohrensurren. Bin gespannt, wie lange sie mithalten kann. Schon erstorben. Ich bin sicher, dass der Lichtfleck, der langsam in der Oberlichte nach rechts wandert, nicht direkt von der Sonne kommt, sondern über ein Dachbodenfenster gespiegelt wird. Die – vermutete – Schleiferei hebt in größerer Entfernung von Neuem an. Jetzt bemerke ich, dass ich die Zähne zusammenbeiße. So entspannt, wie es aussieht, ist es nicht, wie ich da im Bett – an sich recht gemütlich und warm – hocke. Der Lichtfleck hat den rechten Fensterrand erreicht und wird bald aus meinem Gesichtsfeld wandern. Eine undeutliche Erschütterung beginnt sich bemerkbar zu machen und verflüchtigt sich wieder. Der Lichtfleck ist von hier aus nur mehr zu zwei Drittel zu sehen und wird immer deformierter (wenn man die Rechtecksform als die normative nimmt). Ich korrigiere wieder meine linke Handhaltung um die Verkrampfung zu lösen, von der ich annehme, dass sie aufs Herz geht. Nur mehr ein ganz schmaler Streifen aus meiner Perspektive. Nur mehr ein schwacher Lichtschimmer, von dem ich mich zusehends (wörtlich!) frage, ob ich ihn mir nur mehr einbilde. Weg! Das Signal zum Aufbruch. Ich spiele mich noch eine wenig mit Kopfdrehen: wenn ich den Kopf ganz nach links fallen lasse, erhasche ich noch einen schwachen Lichtblick.

 

(2.3.2023)

©Peter Alois Rumpf  März 2023   peteraloisrumpf@gmail.com

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