3113 Lichtblick
9:57 a.m. Ich sehe
vom Bett aus durchs Fenster im Lichthof an der nordwestlichen Hauswand einen
gegitterten Sonnenlichtfleck. Dieser animiert mich, mich aus meinen
Tagesanbruchsphantasien zu lösen, deren Hauptthemen sex and crime sind: Sex
noch aus einem Traum, wenn daselbst auch vergeblich und unerfüllt (respektive:
unentleert), und Crime: mein Lieblingssujet: ich als unschuldig Verfolgter zu
Unrecht im Gefängnis mit angehängter Größenwahnrettung (also was jetzt!?! Wird
der Größenwahn gerettet oder läuft die Rettung in größenwahnsinnigem Modus
ab?). Wie auch immer: ich grüße ehrfürchtig und dankbar dero Sonnen Lichtfleck,
der immer weiter in den Oberlichtausschnitt rückt und damit größer wird: ein
kleines, nicht ganz exaktes Rechteck mit vier vertikalen Schattenstreifen (die
Form Trapez zu nennen wäre assoziationstechnisch und vorstellungsaufrufend
irreführend). Mein Ablagenturm auf meinem Schreibtisch gibt sich heute lustig;
wie mit einer verwuschelten Frisur. Im Zentrum meiner Aufmerksamkeit bleibt
jedoch der oberlichtige Sonnengruß (die Sonne grüßt mich!). Mir fällt ein,
meine linke Hand entspannter zu halten. Vermutlich eine Schleifmaschine in der
Umgegend übertönt tapfer und konsequent mein Ohrensurren. Bin gespannt, wie
lange sie mithalten kann. Schon erstorben. Ich bin sicher, dass der Lichtfleck,
der langsam in der Oberlichte nach rechts wandert, nicht direkt von der Sonne
kommt, sondern über ein Dachbodenfenster gespiegelt wird. Die – vermutete –
Schleiferei hebt in größerer Entfernung von Neuem an. Jetzt bemerke ich, dass
ich die Zähne zusammenbeiße. So entspannt, wie es aussieht, ist es nicht, wie
ich da im Bett – an sich recht gemütlich und warm – hocke. Der Lichtfleck hat
den rechten Fensterrand erreicht und wird bald aus meinem Gesichtsfeld wandern.
Eine undeutliche Erschütterung beginnt sich bemerkbar zu machen und
verflüchtigt sich wieder. Der Lichtfleck ist von hier aus nur mehr zu zwei
Drittel zu sehen und wird immer deformierter (wenn man die Rechtecksform als
die normative nimmt). Ich korrigiere wieder meine linke Handhaltung um die
Verkrampfung zu lösen, von der ich annehme, dass sie aufs Herz geht. Nur mehr
ein ganz schmaler Streifen aus meiner Perspektive. Nur mehr ein schwacher
Lichtschimmer, von dem ich mich zusehends (wörtlich!) frage, ob ich ihn mir nur
mehr einbilde. Weg! Das Signal zum Aufbruch. Ich spiele mich noch eine wenig
mit Kopfdrehen: wenn ich den Kopf ganz nach links fallen lasse, erhasche ich
noch einen schwachen Lichtblick.
(2.3.2023)
©Peter Alois Rumpf März
2023 peteraloisrumpf@gmail.com
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