Mittwoch, 14. Juli 2021

2324 Der Heilige Nepomuk versteckt sich

 

Der Heilige Nepomuk unter der Brücke versteckt sich hinter dem Holunderbusch unter den Bäumen. Aber um diese Tageszeit und an diesem Sommertag bringt die Sonne seinen Sockel ins Licht, nur er selbst bleibt im Schatten, das Kruzifix jedoch, das er in Todesangst umklammert, bekommt ein paar Lichtpunkte ab und somit ist auch er selbst aufgedeckt. Im gegenüber liegenden Haus schleichen ein, zwei keifende Weiber herum – vielleicht aber keifen sie gar nicht, sondern reden normal, Jahrtausende lang vom Patriarchat gequält in ihren hochgejaulten spitzen und aggressiven Fruststimmen – die Männer dumme, stumpfe Machos oder schwache Seicherl.

Der Wind gibt mir recht, indem er deutlich zulegt und mich, der ich das hohe Fensterbrett als Stehpult nutzend aus dem Dachkammerfenster gucke, und den Heiligen Nepomuk zärtlich umfächelt: bei mir spüre ich es auf der nackten Haut, beim Nepomuk sehe ich es an den wiegenden Zweigen um ihn. Die Pappeln blinken uns aufgeregt: endlich welche, die die Wahrheit aussprechen. Nur die Autofahrer in ihren blechernen Containern aus Plastik, sehen, hören, merken und spüren nichts. „Solln wir nach Dürnstein fahren, oder wo könnten wir sonst noch hinfahren? Wo ist etwas los?“ Die Stimmen der Frauen sind nun ruhiger und entspannter. Die Kirchturmuhr schlägt halb. Drei Hollerblütendolden sind von hier aus zu sehen. Und ein Auto nach dem andern.

 

(11.7.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Juli 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

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