2323 Zweimal Schock
Sanft plätschert der Regen in meine müde, satte Trägheit.
Ich bin am Land: man hört Autos vorbeifahren. Links unten der geöffnete Safe,
den ich nie verschlossen habe. Ach, wie gerne ich dem Regen zuhöre! Und
zuschaue: wie er vorm Hintergrund des grünen Waldes herabkommt; des Waldes, der
selbst still in den dämmrigen Graben herabsteigt. Die Vögel zwitschern schon
wieder. Lästig sind die Auto – zu viele fahren vorbei und überlärmen den Regen;
die Regenmusik wird ständig unterbrochen. So ist mir kein inneres Herabsinken
möglich.
Aber einschlafen geht. Ich wache auf und es ist strahlender
Tag. In meiner orientalischen Verwirrung glaube ich, ich blicke nach Osten der
aufgehenden Sonne ins Angesicht. Ausgeschlafen begrüße ich den neuen Tag. Dann
der Schock: wie ist gestern Abend das Finale der Fußball-Europameisterschaft
ausgegangen? Ich habe es verschlafen! Das gibt es nicht! Doch: halb sieben.
Aber wo ist meine Frau? Vermutlich beim Morgenyoga. Moment! Die Zeitungen, die
ich gestern vor Müdigkeit einfach auf ihrer Bettseite abgelegt habe, liegen
noch genauso da. Unverändert. Sie kann hier nicht geschlafen haben. Der zweite
Schock: meine Frau hat mich verlassen. Es hat ihr gereicht und sie ist einfach
weg. Verdenken kann ich es ihr nicht! Ich bin ja oft schiech zu ihr. Nun bin
ich völlig verwirrt. Nur langsam verschafft sich der Gedanke Gehör, ich könnte
am Nachmittag bei Regen eingeschlafen, und später bei Sonnenuntergang
aufgewacht sein. Lange rechne ich hin und her: wenn das der Westen ist, wie muß
dann die Fließrichtung der Großen Mühl sein? Im Kopf drehe ich die Bilder und
abgespeicherten Landkarten im Kreis: fünfmal im, sechsmal gegen die
Uhrzeigersinn. Ich komme zu keinem Ergebnis. Dann die rettende Idee: ich nehme
mein Handy: 11.7. 18:45 – also Sonntag. Es ist Sonntag. Das Finale hat noch
nicht stattgefunden und meine liebe Frau, die treue und gute Seele, wird noch
in der Sauna sein.
(11.7.2021)
©Peter Alois Rumpf Juli 2021
peteraloisrumpf@gmail.com
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