Mittwoch, 9. Dezember 2020

2093 Der Kaffee schmeckt mir nicht mehr

 

Der Kaffee schmeckt mir nicht mehr. Und obwohl ich sie ausgeschaltet habe, blinkt die Kaffeemaschine weiter in mein Bewußtsein rot und fordert mich auf, sie zu reinigen. Aber ich will nicht.

Ich sitze und warte auf eine Lieferung. Ich hätte schöne Zeit für die Reinigungsprozedur, aber ich will nicht. Das wöchentliche Lieblingskreuzworträtsel in Spectrum ist gelöst, so lümmle ich da und schau in die Luft. Der Geschirrspüler erzeugt eine beruhigend monotone Minimalmusic und ich gleite fast ins Träumen und falle zwischen die Töne, die mich zu umhüllen beginnen.

Die Lichtreflexionen auf den vielen Gläsern, den Metalldosen in der Küche hier erzeugen einen verlockenden, suggestiven Glanz. Selbst meine drüben auf der Arbeitsplatte abgelegte Arbeitsbrille hält einen Bügel in die Luft, als hätte ich sie bei irgendeiner Tätigkeit, die ich nicht mitbekommen soll, ertappt. Und stellt sich jetzt unbeweglich wie ein toter Gegenstand.

Die Geschirrspülermusik ist in ihren kreisenden Phasen wirklich betörend und zieht mein Hören in ihren Sog.

Durch den Nachrichtenpipser meines Handys aus der Hörversunkenheit aufgescheucht verliert sich jetzt mein Blick in der Schönheit eines leeren, schlichten, sauberen Joghurtglases, das vor mir auf dem Küchentisch steht. Die Nachricht lautet: die Lieferung kommt gleich. Nervös und aufgeregt gerate ich ob der angekündigten Begegnung in Stress und Überforderung. Aber dass ich es hinbekomme, bezweifle ich nicht. Ich bin sehr diszipliniert. Ich ertrage es jedoch fast nicht, wenn ich Dienste anderer Menschen beanspruche, dabei habe gar nicht ich die Lieferung bestellt, aber ich fühle mich schuldig. Ich hasse es, mit Ankündigungen aufgejagt zu werden und dann kommt der Lieferant nicht. Ich sitz eh schon die ganze Zeit da und warte; mehr kann ich sowieso nicht tun. Und ich hasse es, Aufträge zu übernehmen, die ich nie getätigt hätte. Nie würde ich von jemandem verlangen, mir den Einkauf zuzustellen.

Und wenn ich warte, warte ich lieber auf Godot, egal ob Gott tot ist oder nicht.

Intermezzo in der Minimalmusic: Wasser und Heizung rauschen.

Noch immer keine Lieferung.

 

(5.12.2020)

©Peter Alois Rumpf   Dezember 2020   peteraloisrumpf@gmail.com

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