Donnerstag, 6. Februar 2020

1742 Mein unschuldiger Morgenblick


Als erstes fällt meinem unschuldigen Morgenblick die schöne Vase auf und die hübsch – ja, nennen wir es: hübsch sich - wie vom Göttlichen Zufall unauffällig und unaufdringlich arrangiert – auffächernden rosa Tulpen. Dann der blaue, kugelförmige Kerzenständer métallisée. Der majestätische Krug aus Glas, über die Hälfte satt gefüllt mit Wasser – er geht nicht zum Brunnen, sondern steht wie auch die anderen zwei Gegenstände auf dem Wohnzimmertisch, auf den ich – soeben aufgewacht – aus der Schlafkoje heraus hinschaue.
Unseren „Dschungal“ (danke, Tash Sultana) am Fenster übersehe ich natürlich auch nicht.

An der völlig leeren Wand – früher war sie voll mit Bildern – an dieser leeren Wand zeichnet sich nur der Schatten unseres barbiemäßigen Plastiklüsters („barbiemäßig“ nicht nach dem Klaus – obwohl der auch in mein ideologisches Herkunftsumfeld gehört, sondern nach diesen ebenfalls grausamen amerikanischen Hungerpüppchen), den Lüster, den wir schließlich zur Verminderung seiner Häßlichkeit nach langem heftigen Streit mit Papier umwickelt haben – an Kauf, Abholung und Montage dieses häßlichen Gegenstandes – ich betone: Gegen-standes – da merkte ich, warum es Gegen-stand heißt und daß ein solcher ein Gegner werden kann – an dieser Episode vor vielen Jahren wäre damals fast unsere Ehe zerbrochen – vielleicht aber auch ich und mein Rückgrat, weil ich nachgegeben habe – an dieser leeren Wohnzimmerwand zeichnet sich nur der Schatten des häßlichen Lüsters ab und nimmt ihm tatsächlich seine Häßlichkeit und läßt diese verschwinden. Was kann denn an einem Schatten häßlich sein?

Mir kommt gerade die Idee, ob ich diesen Trick nicht auch anwenden kann, wenn ich die Häßlichkeit meines Lebens nicht mehr ertragen zu können glaube? Aber was heißt: auf den Schatten meines Lebens schauen? Vielleicht fällt mir da noch etwas ein!

Nun will ich mich von meinen gefährlichen Selbstbetrachtungen lösen und lenke meinen Blick wieder auf unseren Dschungal vorm Fenster, wo es mir auch die schönen Blätter der Monstera deliciosa, die auf ihren Stengeln zwar ins Zimmer hineinragen, aber doch eindeutig zum Fenster, hinaus zum Licht blicken, angetan haben.

Neu hinzugekommen ist die Katze, die mich mit ihrer Anwesenheit und ihrem Schnurren beim Verwirklichen des von mir als verlogen verabscheuten bis verhassten Grundsatzes „schau auf die positiven Dinge deines Lebens“ hilft. („Be pousitiv! Be pousitiv!“ so mit kaltem fanatischen hasserfüllten Blick diese unsägliche Margaret Thatcher – Gott möge sie … ach was! This ist such an idiocy! And it becomes sucher and thatcher!)

So leid es mir einerseits tut, daß an dieser Wohnzimmerwand nicht mehr das eine besonders schöne Bild von Daniela Hantsch hängt und nicht mehr Werke meiner kleinen, aber feinen Kunstsammlung, auf die ich so stolz bin, und auch nicht mehr die vielen guten und beeindruckenden Kinderzeichnungen, so schön finde ich andererseits nun die leere Wand nur mit diesem sanften Lampenschatten.

Nachdem ich gestern bis heute halb vier Uhr morgens an meinen Texten und ihrer Verbreitung gearbeitet habe, konnte ich – außerdem noch aufgewühlt von einem kränkenden und gemeinen schwesterlichen Telefongespräch am gestrigen Morgen – die ganze Nacht nur schlecht schlafen. Mir war die ganze Zeit kalt im Bett und habe mich unter der unglücklichen Decke nicht und nicht derwärmt.

Jetzt, erst jetzt wird mir allmählich wohl.








(6.2.2020)












©Peter Alois Rumpf,  Februar 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

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