1742 Mein unschuldiger Morgenblick
Als erstes fällt meinem unschuldigen Morgenblick die schöne
Vase auf und die hübsch – ja, nennen wir es: hübsch sich - wie vom Göttlichen
Zufall unauffällig und unaufdringlich arrangiert – auffächernden rosa Tulpen.
Dann der blaue, kugelförmige Kerzenständer métallisée. Der majestätische Krug aus
Glas, über die Hälfte satt gefüllt mit Wasser – er geht nicht zum Brunnen,
sondern steht wie auch die anderen zwei Gegenstände auf dem Wohnzimmertisch,
auf den ich – soeben aufgewacht – aus der Schlafkoje heraus hinschaue.
Unseren „Dschungal“ (danke, Tash Sultana) am Fenster
übersehe ich natürlich auch nicht.
An der völlig leeren Wand – früher war sie voll mit Bildern
– an dieser leeren Wand zeichnet sich nur der Schatten unseres barbiemäßigen
Plastiklüsters („barbiemäßig“ nicht nach dem Klaus – obwohl der auch in mein
ideologisches Herkunftsumfeld gehört, sondern nach diesen ebenfalls grausamen
amerikanischen Hungerpüppchen), den Lüster, den wir schließlich zur
Verminderung seiner Häßlichkeit nach langem heftigen Streit mit Papier
umwickelt haben – an Kauf, Abholung und Montage dieses häßlichen Gegenstandes –
ich betone: Gegen-standes – da merkte ich, warum es Gegen-stand heißt
und daß ein solcher ein Gegner werden kann – an dieser Episode vor vielen
Jahren wäre damals fast unsere Ehe zerbrochen – vielleicht aber auch ich und
mein Rückgrat, weil ich nachgegeben habe – an dieser leeren Wohnzimmerwand
zeichnet sich nur der Schatten des häßlichen Lüsters ab und nimmt ihm
tatsächlich seine Häßlichkeit und läßt diese verschwinden. Was kann denn an
einem Schatten häßlich sein?
Mir kommt gerade die Idee, ob ich diesen Trick nicht auch
anwenden kann, wenn ich die Häßlichkeit meines Lebens nicht mehr ertragen zu
können glaube? Aber was heißt: auf den Schatten meines Lebens schauen?
Vielleicht fällt mir da noch etwas ein!
Nun will ich mich von meinen gefährlichen
Selbstbetrachtungen lösen und lenke meinen Blick wieder auf unseren Dschungal
vorm Fenster, wo es mir auch die schönen Blätter der Monstera deliciosa, die
auf ihren Stengeln zwar ins Zimmer hineinragen, aber doch eindeutig zum
Fenster, hinaus zum Licht blicken, angetan haben.
Neu hinzugekommen ist die Katze, die mich mit ihrer
Anwesenheit und ihrem Schnurren beim Verwirklichen des von mir als verlogen
verabscheuten bis verhassten Grundsatzes „schau auf die positiven Dinge deines
Lebens“ hilft. („Be pousitiv! Be pousitiv!“ so mit kaltem fanatischen hasserfüllten Blick
diese unsägliche Margaret Thatcher – Gott möge sie … ach was! This ist such an idiocy! And it becomes sucher
and thatcher!)
So leid es mir einerseits tut, daß an dieser Wohnzimmerwand
nicht mehr das eine besonders schöne Bild von Daniela Hantsch hängt und nicht
mehr Werke meiner kleinen, aber feinen Kunstsammlung, auf die ich so stolz bin,
und auch nicht mehr die vielen guten und beeindruckenden Kinderzeichnungen, so
schön finde ich andererseits nun die leere Wand nur mit diesem sanften
Lampenschatten.
Nachdem ich gestern bis heute halb vier Uhr morgens an
meinen Texten und ihrer Verbreitung gearbeitet habe, konnte ich – außerdem noch
aufgewühlt von einem kränkenden und gemeinen schwesterlichen Telefongespräch am
gestrigen Morgen – die ganze Nacht nur schlecht schlafen. Mir war die ganze
Zeit kalt im Bett und habe mich unter der unglücklichen Decke nicht und nicht
derwärmt.
Jetzt, erst jetzt wird mir allmählich wohl.
(6.2.2020)
©Peter Alois Rumpf, Februar 2020
peteraloisrumpf@gmail.com
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