1636 Mein Durchblick
Nun sitze ich auf der schönen, dunkelgrauen Couch im
Wohnzimmer und blicke von da in die Küche hinein, wo – aber das sehe ich von
hier aus nicht – mein komplexer Frühstückskräutertee zieht.
Irgendwelche („irgend“ dürfte mein am häufigsten verwendetes
Wort, respektive der am häufigsten verwendete Wortteil sein, aber zwischen
Schlafen und Wachen bleibt eben vieles oft länger noch unklar und verschwommen.
Außerdem bin ich der Meister des Unentschlossenen) irgendwelche gesalzenen
Nüsse also – ich war mir wirklich nicht sicher, welche Nüsse das waren – habe
ich schon in mich hineingestopft, aber dennoch gründlich gekaut, bevor ich sie
geschluckt habe.
Diesen Blick von hier aus in die Küche habe ich so gern –
und ich bin dabei nicht gezwungen, meinen Kopf in hoferischer
Verlogenheitsmanier schief zu halten – weil die hölzerne Stiege, noch in einer
Siebziger-Jahre-Robustheit vor meiner Zeit hier von meinem Vorgänger und ehelichen Begründer dieser Wohnung gebaut,
neben dem alten, unlackierten Türrahmen des inzwischen längst türlosen
Durchgangs zur Küche … weil sie und die geschrundeten Wände dem allen irgendwie
(!) ein „altes“ Aussehen geben, jedoch ohne jedes verlogene „Historisieren“
oder gar – Gott möge abhüten! - ein beschissenes Rustikalisieren (bei Holz so
gefährlich), sondern mit schlichten, modernen, handwerklichen Mitteln und ebensolcher Ästhetik in der
gestalterischen Tradition.
Das gibt den Räumen etwas vertrautes und doch unbelastetes.
Und es kommt sicher kein Gefühl auf, man dürfe hier nichts angreifen, müsse
ständig auf irgend(!)etwas Repräsentatives aufpassen und nichts dürfe Flecken
abbekommen. Nein, die Stiege, die Wände, der ganze Raum (und die Küche auch)
sind im wahrsten Sinne der Redewendung vom Leben gezeichnet und so ist man
erleichtert, daß man hier nicht a la Innerarchitektur-Katalog geschleckt und
aufgetakelt präsentieren muß, sondern unbefangen wohnen und leben kann. Ich bin versucht
zu sagen: gestärkt von Generationen von Kindern, die hier groß geworden und aufgewachsen
sind und ihre schönen Spuren hinterlassen haben.
(5.12.2019)
©Peter Alois Rumpf,
Dezember 2019
peteraloisrumpf@gmail.com
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