Mittwoch, 30. Oktober 2019

1570 Ich habe die Große Katastrophe überlebt


Die Kriege werden immer flächendeckender und unübersichtlicher. Offensichtlich habe ich die Große Katastrophe überlebt. Wie, das weiß ich kaum; die Erinnerung setzt weitgehend aus. Ich erinnere mich nur schemenhaft. Ich weiß nur, ich bin den Menschen ausgewichen. Bin alleine herumgewandert und den Menschen ausgewichen, wenn es nur irgend möglich war. Wenn es nicht möglich war, habe ich mich so unauffällig wie ich konnte durch die Menschen bewegt. Manchmal war ich in großen Städten.

So wie jetzt wieder. Dafür, daß die Menschheit radikal dezimiert wurde, sind recht viele hier. Sie haben keine Ahnung von früher, als läge das schon Jahrzehnte zurück. Die meisten sind sehr jung. Ich sehe keine Alten. Mysteriös das Ganze. Wie viele Jahre sind vergangen seit dem Großen Krieg? Wo war ich dann so lange? Für mich kann der Krieg höchstens ein paar Monate, höchstens ein Jahr gedauert haben. Sehr mysteriös!

In der Stadt stehen noch viele Gebäude, aber es liegt überall viel Schutt, Glasscherben, kaputtes Zeugs herum. Es ist schwierig, einen halbwegs sauberen Platz zum Schlafen zu finden. Den Menschen hier scheint das völlig egal zu sein, daß hier überall, auch in den Räumen dieser Schutt, diese zerfetzten Teile, oft aus Plastik, verstreut sind. Außerdem werde ich unsicher, ob der Krieg wirklich vorbei ist. Gibt es noch kämpfende und marodierende Einheiten?

Übrigens: viele junge Frauen sind hier in der Stadt. Sie ticken ganz anders. (übrigens: ich habe in der handschriftlichen Fassung, gleich nach dem Aufwachen niedergeschrieben, statt „ticken“ „ficken“ geschrieben; ein Wort, daß ich im Gegensatz zu „vögeln“ hasse, weil es so aggressiv, kalt und brutal klingt.) Ich verstehe ihr Verhalten nicht: völlig naiv und unschuldig, anscheinend ohne Interesse oder Kenntnis von Sex. Dabei möchte ich sie nicht als asexuell bezeichnen. Irgendwie geläuteter, ätherischer, höherentwickelt?

Übrigens befinde ich mich in einem riesigen Betonbau. Ein megagroßer und außergewöhnlich hoher Betonkasten. Aber obwohl er so hoch ist, ist er kein Turm, denn er ist breiter als höher. Das Gebäude scheint in der Substanz den Großen Krieg gut überstanden zu haben, obwohl innen auch alles von Trümmern bedeckt ist. Aber hier, hinter den meterdicken Betonmauern, fühle ich mich einigermaßen sicher.

Ich will bei den jungen Frauen als Mann landen; besonders bei einer, die einfach so nackt da liegt und mich auch freudig begrüßt hat, als ich gekommen bin. Aber sie scheint nichts zu verstehen. Zu aggressiv und direkt traue ich mich mein Verlangen nicht äußern, meine Andeutungen nimmt sie nicht wahr, versteht sie nicht.

Wie alt bin ich eigentlich? Ich habe keine Ahnung.











(30.10.2019)












©Peter Alois Rumpf,  Oktober 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

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